Bei Washington Bullets, zu Deutsch Washingtons Kugeln, handelt es sich um eine dreiteilige historische Erzählung. Auf knapp 150 Seiten widmet sich der Autor der Geschichte des US-amerikanischen Imperialismus, von seinen Anfängen mit der Eroberung Nordamerikas und Nordmexikos, über das lange zwanzigste Jahrhundert mit all seinen Interventionen, Staatsstreichen und Kriegen, bis zum Erscheinungsjahr 2020.
Vijay Prashad schafft es in seinem gut verständlich geschriebenen Text, die globale Geschichte US-amerikanischer Einflussnahme auf praktisch alle Länder der Welt zu beleuchten. Natürlich kann auf Grund des absoluten Umfangs der Geschehnisse, nicht auf alle Länder und Ereignisse genau eingegangen werden. So manches wurde leider weggelassen. Doch an manchen beispielhaften Stellen (z.B. der Staatsstreich gegen Jacobo Arbenz, 1954, Guatemala) nimmt sich der Autor den Platz, die Vorgehensweise der USA genauer zu schildern.
Wie der Titel schon verrät, spielt der Auslandsgeheimdienst CIA eine besondere Rolle in der US-amerikanischen Geostrategie. Ebenso schafft es der Autor den Blick auf den sog. „Kalten Krieg“, für gewöhnlich verstanden als eine reine Auseinandersetzung zwischen den USA und der UDSSR, neu zu beleuchten. So zeigt er die engen Verbindungen zwischen der kommunistischen/sozialistischen revolutionären Bewegung auf der einen und den antikolonialen Volksbefreiungsbewegungen auf der anderen Seite auf. Gut dokumentiert er den konstanten Kampf der kolonisierten Völker der Welt für ihre Befreiung von imperialistischer Ausbeutung, und das Gegenwirken der USA und ihrer Verbündeter.
Die Geschichte ist auf jeden Fall emotional belastend, wird einem doch so erst richtig klar, wie brutal und unnachgiebig der Imperialismus jeden noch so kleinen Widerstand gegen seine menschenfeindliche Herrschaft verfolgt und auszulöschen versucht. Doch die Geschichte die Vijay Prashad schreibt, ist keine Geschichte der Trauer und der Niederlage. Es ist eine Geschichte der Freiheit, eine Geschichte von Menschen die sich nicht der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen ergeben wollen, und dafür auch ihr Leben geben. Viele Erfolge der revolutionären Bewegung weltweit werden hier gewürdigt, die man in der bürgerlichen (populären) Geschichtsschreibung gerne eher weg lässt, ähnlich wie die kapitalistischen Gräueltaten.
Wenn das Buch eine Schwäche hat, dann ist es eine leichte Neigung dazu ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die neu entstandenen imperialistischen Konkurrenten der USA (Russland, Iran, China) etwas in Schutz zu nehmen bzw. ihre Handlungen als rein defensiv abzutun. Sozusagen ohne ihre eigenen kapitalistischen Interessen zu benennen. Auch werden die Entwicklungen in der späten UDSSR nicht beleuchtet, die durchaus Zweifel zulassen, ob sie ab den 60er Jahren wirklich als uneigennützige Unterstützerin der Volksbefreiungskämpfer fungierte. Doch schmälern diese Kritikpunkte keineswegs das Gesamtergebnis. Wer schon mal die gesammelte (kondensierte) Geschichte US-amerikanischer Ermordungen, Staatsstreiche, Invasionen und Terrorkampagnen lesen wollte, hat hier die Möglichkeit.
Abschließend lässt sich noch sagen, dass auch die weniger spektakulären, aber nicht weniger grausamen und mörderischen Taktiken des US-Imperialismus thematisiert werden. Besonders im Gedächtnis bleibt das weitläufige Netz an Sanktionen, das darauf zielt die Wirtschaften von Ländern (aktuell z.B. Kuba, Venezuela, Nordkorea, Iran) die den USA ein Dorn im Auge sind völlig zu ruinieren und die Versorgung der Bevölkerung unmöglich zu machen. Weniger spektakulär als z.B. der Vietnamkrieg, aber immer noch verantwortlich für unzählige Tote.
Ein anderer Begriff der besondere Beachtung verdient ist der des „Lawfare“, eine Mischung aus den englischen Wörtern „Law“ (Recht) und „Warfare“ (Kriegsführung). Hiermit beschreibt (nicht nur) der Autor die gezielte Nutzung von juristischen Spielereien und Intrigen zur Unterdrückung linker politischer Opposition, bis hin zu juristischen Coups (z.B. gegen Dilma Roussef, 2016, Brasilien).