Buchempfehlung: Mein Leib und Leben für den Kampf – Die Geschichte von Erkut Direkci

«Ein:e Revolutionär:in muss mit dem eigenen Leben immer ein Vorbild sein, ehrlich sein, fleißig sein. Ein:e Revolutionär:in sollte sich von Schwierigkeiten nicht einschüchtern lassen, sondern sollte es verstehen, so enthusiastisch und feurig wie ein Vulkan zu sein, wenn es nötig ist, und so sanft und ruhig wie ein schlafendes Kind, wenn es erforderlich ist. Mit dieser Philosophie sollte deine Überzeugung, deine Träume von einer Welt, ohne Grenzen und Klassen, eines Tages Wirklichkeit werden. Dein Glaube daran wurde nie erschüttert.» (Ergül Direkci; S. 271)

Bei dem hier vorgestellten Werk handelt es sich weder um Fiktion noch um politische Theorie. Wie der Titel bereits zeigt, behandelt das Buch die Lebensgeschichte von Erkut Direkci, seinen politischen Kampf, sein persönliches Schicksal, die Leidens- und Kampfgeschichte seiner Familie. Es handelt sich um ein sehr persönliches Buch, den die Autorin ist keine andere als seine Mutter Ergül Direkci. Laut eigenen Angaben schrieb sie dieses Buch sowohl für sich selber, als auch für die Außenwelt. Es soll verständlich machen wofür ihr Sohn Erkut gelebt und gekämpft hat. Wofür er am Ende gestorben ist. Geschrieben ist das Buch aus der Perspektive der Mutter, und gibt dementsprechend tiefe Einblicke in ihr Gefühlsleben. Doch eben hier liegt auch eine besondere Stärke des Buches.

Ergül Direkci schildert glaubhaft die emotionale Reise einer Mutter, einer geliebten Gefährtin eines jungen Menschen, welcher sich dafür entscheidet sein Leben der Revolution zu widmen – und dafür vom türkischen Faschismus grausam bestraft wird. Sie spielt nicht mit vermeintlich revolutionär klingenden Phrasen, noch verherrlicht sie ihren Sohn, seine Genoss:innen und ihren Kampf. Sie schafft es die Leser:innen in die Gedanken- und Gefühlswelt einer engen Angehörigen eines Revolutionärs Einblick zu gewähren. Und diese sind unvermeidlich von starken Widersprüchen geprägt. Die Angst um den eigenen Sohn, seine Zukunft und seine körperliche Unversehrtheit. Der Wunsch, ihren Sohn nicht noch weiter in seiner Rebellion gegen das kapitalistische System und den Staat zu bestärken. Und das obwohl sie viele seiner Kritiken versteht und auf einer intellektuellen Ebene auch teilt.

Sie erzählt glaubwürdig den Kampf gegen ihre eigenen bürgerlich geprägten Emotionen, die Entwicklung die sie in den ca. 2 Jahren seit Erkuts Inhaftierung durch den türkischen Staat durchgemacht hat. Davon wie der aufopferungsreiche Kampf ihres Sohnes, aber auch die Liebe der Genoss:innen, und nicht zuletzt die Grausamkeit des türkischen Staates sie selbst ihrem Sohn und seiner kommunistischen Weltanschauung näher gebracht hat. Erkut selber kommt in der Erzählung zwar relativ selten selbst zu Wort, doch schildert seine Mutter glaubhaft und lebendig seine Interaktionen mit seiner Umwelt. Mit seinen Genoss:innen, mit dem Feind der ihn quält und demütigt, aber auch mit vermeintlich neutralen Menschen wie den Ärzt:innen und Patient:innen in den Krankenhäusern in denen er sich viel aufhalten musste.

Erkut verkörperte viele Eigenschaften eines Kommunisten, von denen es sich lohnt zu lernen. Seine Genossenschaftlichkeit, die Liebe mit der er seinen Mitmenschen begegnete, machten ihn natürlicherweise zu einem Freund und Ansprechpartner. Doch auch seinen Peinigern stand er resolut und aufopferungsvoll gegenüber. Weder von Folter und Inhaftierung, noch vom Krebs der bei ihm unter den Bedingungen der Haft ausbrach, ließ er sich brechen. Ganz im Gegenteil, diente er den Menschen in seinem Umfeld als Motivation. Seinen Kampf weiterzuführen, wurde für viele Genoss:innen sowohl Ehre als auch Pflicht.

Das in den 1990ern erschienene Buch wurde vor kurzem erstmals in die deutsche Sprache übersetzt und ermöglicht nun auch Leser:innen im deutschsprachigen Raum einen tieferen Einblick in den lebendigen Klassenkampf in der Türkei am Ende des letzten Jahrhunderts. Die Geschichte von Erkut und seinen Angehörigen und Genoss:innen hilft verständlich zu machen gegen was die Revolutionär:innen in der Türkei/Nordkurdistan gekämpft haben und auch heute noch kämpfen.