In unserem Magazin wollen wir auch verschiedene Kräfte der internationalen revolutionären und kommunistischen Bewegung zu Wort kommen lassen. Unité Communiste (dt.: „Kommunistische Einheit“), ist eine 2016 in Lyon gegründete Organisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, zur Neuentstehung einer kommunistischen Partei in Frankreich beizutragen. Sie orientieren sich am Maoismus und sind Teil der ICOR (Internationale Koordinierung revolutionärer Parteien und Organisationen). Das vorliegende Interview beleuchtet verschiedene Fragen der Strategie und des Parteiaufbaus in Frankreich aus Sicht der Genoss:innen. Wir halten es unter anderem deswegen für unsere Leser:innen für interessant, weil die Kommunist:innen in Deutschland in vielerlei Hinsicht vor ähnlichen Herausforderungen stehen. Geführt wurde das Gespräch vom Kommunistischen Aufbau und erstmals im Januar 2024 auf der Webseite von Unité Communiste auf französisch veröffentlicht1.
Warum habt ihr euch entschieden, euch als Unité Comuniste selbstständig zu organisieren, statt einer anderen Organisation beizutreten?
Zuerst möchten wir uns für die Möglichkeit bedanken, in einem Interview unsere Organisation vorzustellen. Wir haben uns 2016 auf der Grundlage einiger strategischer und politischer Prinzipien gegründet, die unserer Meinung nach keine andere existierende linksradikale Organisation vertritt.
Der erste Schritt bestand für uns darin, uns von der Kommunistischen Partei Frankreichs (Parti Communiste Francais – PCF) abzuwenden. Obwohl die PCF bereits seit Jahrzehnten eine bürgerlich-reformistische politische Partei ist, konnten viele Kommunist:innen ihre eigene Position nur in Bezug zur PCF definieren, bzw. tun es immer noch. Beispielsweise hält ein Teil der Anhänger:innen der Organisation PRCF noch immer an der Hoffnung fest, auf die eine oder andere Weise die PCF zurückzuerobern. Das gleiche galt und gilt noch für eine Menge anderer kommunistischer Gruppen und Einzelpersonen. Wir denken, dass es da aber nichts mehr zurück zu erobern gibt. Kommunist:innen müssen eine Kommunistische Partei wiederaufbauen, aus eigener Kraft, und aufhören, sich immer wieder in einer reformistischen Partei zu verlieren und aufzulösen.
Der zweite Schritt war die Zurückweisung verschiedener Formen des Opportunismus und strategischer Sackgassen: Etwa dem Trotzkismus und ähnlichem. Zwar teilen wir mit ihnen die Überzeugung, dass die PCF für Revolutionär:innen keine Rolle mehr spielen kann. Dieser Schluss ist aber wenig wert ohne den Kampf für eine wirklich revolutionäre Partei in Frankreich. Trotzkismus und Anarchismus sind ideologisch und strategisch bankrott: bestenfalls sind sie trade-unionistisch und ökonomistisch, schlimmstenfalls sind sie Buchklubs. Die Tatsache, dass die „Ligue communiste révolutionnaire“ (LCR)2 als reformistische Partei geendet ist, spricht hier für sich. Den trotzkistischen Parteien und anarchistischen Gruppen fehlt eine ernsthafte Strategie für den Wiederaufbau einer revolutionären Klassen- und Kampforganisation, genau so wie eine klare politische und ideologische Orientierung.
Bei unserer Gründung bestanden bereits einige marxistisch-leninistische oder marxistisch-leninistisch-maoistische Zirkel und Gruppen, aber wir waren mit ihren Strukturen unzufrieden. Statt zu versuchen, ihren sektenhaften Charakter zu überwinden, vertieften sie ihn noch, sperrten sich selbst in Illusionen über ihre eigene Bedeutung und in Dogmatismus ein. Wir sind überzeugt, dass der ideologische und politische Kampf für den Aufbau einer Kommunistischen Partei nicht ohne starke Betonung von Selbstkritik und erkenntnistheoretischer Bescheidenheit geführt werden kann. Ganz im Geiste des wissenschaftlichen Sozialismus. Wir hatten von Anfang an kein Interesse daran, uns selbst von dieser oder jener bereits scheinbar perfekten „revolutionären Wahrheit“ zu überzeugen: Wir waren überzeugt, dass diese in unserer aktuellen konkreten Situation noch zu entdecken und zu bestimmen sei und dass keine oberflächlich verstandenen ideologischen Label zufriedenstellend wären. Unsere Gründungsmitglieder hatten diese unreifen Fehler gewissermaßen satt, und wollten einen Rahmen schaffen, um sie zu überwinden.
Rückblickend betrachtet haben wir von unserer Gründung 2016 bis zu unserem 2. „Kongress“ im Jahr 2020 ebenso viele unreife Fehler gemacht, wie wir durch die Schaffung von etwas Neuem vermeiden wollten. Wir sind jedoch überzeugt, dass wir mittlerweile die meisten von ihnen überwinden konnten.
Was betrachtet ihr als die wichtigsten aktuellen Aufgaben für die Kommunist:innen in Frankreich?
Die Antwort: „Die Kommunistische Partei aufbauen“ ist hier ein Gemeinplatz, dem wohl so ziemlich jede Kommunist:in zustimmen würde – außer den Mitgliedern der PCF. Wir müssen eine interessantere Antwort geben. Als erstes müssen wir als Kommunist:innen die aktuelle Lage unserer Bewegung analysieren, die sich in einem sehr unterentwickelten Zustand befindet. Dann müssen wir den Hauptgrund für die heutige relative Bedeutungslosigkeit der revolutionären Linken in imperialistischen Ländern wie Frankreich begreifen. Wir sind davon überzeugt, dass es in der Phase des Parteiaufbaus die Hauptaufgabe einer Kommunistischen Organisation sein muss, ihr zukünftiges Skelett und Nervensystem herauszubilden: Ihre kommunistischen Kader:innen.
Ohne Partei sind wir nichts. Darin sind sich die meisten in der radikalen Linken ebenfalls einig (nicht jede stimmt hier natürlich zu). Manche Leute ziehen jedoch sehr falsche Schlüsse daraus. Etwa an der PCF kleben bleiben, wegen ihres Namens und ihrer glorreichen Vergangenheit; oder Hoffnungen hegen, die PCF durch Arbeit in ihr oder ihrem Umfeld zurückzuerobern; oder sich innerhalb anderer reformistischer Parteien organisieren; oder die eigene Sekte als „Partei“ bezeichnen und auch so zu tun; oder so viele Menschen wie möglich unter einer eklektischen und undisziplinierten Dachorganisation vereinigen; oder eine Gewerkschaft mit roter Fahne werden und so weiter.
Selbst jene, die den Parteiaufbauprozess ernster nehmen, irren sich oftmals gewaltig. Die Partei muss „von oben“ aufgebaut werden, also von ihren bewusstesten, fähigsten, diszipliniertesten und aufopferungsvollsten Aktivist:innen. Also von ihren Kader:innen. In einem vor etwa einem Jahr veröffentlichten Text definieren wir die beiden Hauptabweichungen, denen wir in Frankreich begegnen und die die Kommunist:innen davon abhalten, den Parteiaufbau richtig anzugehen. Wir legen in dem Text auch unsere Ansätze der allgemeine strategische Linie dar, die wir verfolgen wollen:
„[…] Movementismus ist eine häufige Abweichung, die viele verschiedene Formen annehmen kann: immer der aktuellen Demonstration nachlaufen, „Zeug machen“, sich bewegen um zu existieren und so weiter. Eine seiner Ursachen ist ein falsches Verständnis der aktuellen Lage der Kommunistischen Bewegung und daraus abgeleitet, ihrer Haupt- und Nebenaufgaben. Wo müssen also die Prioritäten liegen? Unsere Zeit und Energie sind nicht unbegrenzt, wir müssen sie sorgfältig einteilen.
Abgesehen von seiner Perspektivlosigkeit stellt der Movementismus zugleich eine Form aktivistischer Handlungsweisen dar. Darunter verstehen wir erstens im Allgemeinen, wenn aktivistische Routinen und Normen aus bloßer Gewohnheit oder Selbstzweck befolgt werden, ohne klar benannte Ziele. Und zweitens, wenn Erwartungen nicht im realen Zusammenhang mit dem tatsächlichen Zustand des Klassenkampfes stehen: „Die eigenen Träume für die Realität halten“, sehen was man sehen will, um die Schlüsse zu ziehen, die man ohnehin von vornherein ziehen wollte. Diese Form des Handlungs-Movementismus wird gestützt durch einen Hang zur Betonung der „Kosten“ („Ich habe zu viel geopfert, um jetzt aufzugeben“, „Wenn ich so weiter mache, wird es sich lohnen“), manchmal wird dieser dann durch eine selbstgeißelnde Unnachgiebigkeit ergänzt, die vom kleinbürgerlichen Schamgefühl getrieben ist (von der Suche nach Buße für die eigene Klassenherkunft).
Ein:e konsequente Kommunist:in muss den aktuellen Zustand der Kommunistischen Bewegung klar erkennen und den Schluss ziehen, dass unsere Hauptaufgabe heute im Erhalt unserer Kräfte liegt, bei gleichzeitiger Perspektive des Parteiaufbaus. Das ist jedoch nicht mit den notwendig vergeblichen Versuchen zu verwechseln, wie die Partei aufzutreten, bevor man Partei ist. Der Versuch, die Form der Kommunistischen Partei vorzubereiten, ist eine gute Methode, um ihr näher zu kommen, um die eigene Linie zu entwickeln, aber es ist unmöglich, sie so vollständig zu erzeugen: Wir können keine Mini-Partei sein, bevor wir Partei sind. Wenn wir also einen langfristigen Aufbau anstreben, dann dürfen wir nicht anhand der Vorstellung handeln, „wie es die Partei tun würde“ oder als ob die Revolution unmittelbar anstehen würde. Wir müssen uns danach richten, was wir hier und jetzt, in unserer konkreten Situation zu tun haben. Wir dürfen die unmittelbar vor uns stehenden Aufgaben nicht mit Metaphysik verwechseln: Wir müssen so wie wir heute sind mit dem arbeiten, was wir heute haben, statt so zu arbeiten, wie wir gerne wären mit den Dingen, die wir gerne hätten. Wir dürfen Fantasie nicht mit Realität verwechseln.
Wir müssen nicht nur die heutige Hauptfrage begreifen, sondern auch eine entsprechende Strategie entwickeln und an ihr festhalten. Das bedeutet, unsere Entscheidungen müssen anhand eines langfristigen Plans getroffen werden. Movementismus ist die Antithese zu dieser Logik: Movementismus ist Liquidatorentum.
Im Kontext der jetztigen umfassenden Krise der Arbeiter:innenbewegung haben verschiedene Organisationen in Frankreich, die sich als kommunistisch oder revolutionär bezeichnen, versucht, sich selbst neue Formen zu verleihen, um fortzubestehen. Hierbei treffen wir auf drei Hauptabweichungen:
1) Parlamentarismus (oder Wahlfetischismus): die teilweise oder totale Integration in Institutionen des bürgerlichen Staates
2) Syndikalismus (revolutionärer Syndikalismus wie auch radikaler Ökonomismus) und Para-Syndikalismus (oder Supersyndikalismus): die Organisation existiert faktisch nur in/als Verlängerung von/parallel zu gewerkschaftlichen Kämpfen oder Organisationen.
3) Klassenübergreifender Eklektizismus3: Die Auflösung in radikale kleinbürgerliche politische Bewegungen (z. B. die Umweltbewegung), in der Hoffnung, diese für sich zu gewinnen.
Im Fall des Para-Syndikalismus oder des klassenübergreifenden Eklektizismus werden politische Organisationen durch halbpolitische Formen ersetzt, die weder vollständigauf die Massen ausgerichtet sind, noch dazu geeignet sind, tatsächliche kommunistische Kader:innen auszubilden. DieseMischformenzwischen „Massen“- und „Kaderorganisationen“ erfüllen keine der beidennotwendigenRollen, denn sie bleiben zu unzugänglich für die Massen,aber auchzuunpolitisch, um Kader:innen auszubilden und qualitativ das organisatorische, taktische und strategische Niveau zu heben. Diese „Zwischendinger“ sind als (temporäre oder permanente) Alternativenzum Wiederaufbau einer politischen Organisationgedacht. Einepolitische Organisation imvollenSinn des Wortesist diePartei.Die Ergebnisse dieserSchwankungenbeweisenjedochnur, wie absolut unverzichtbar der Wiederaufbau einer solchen Organisation ist. Sie isteine unverzichtbare und unmittelbar vor uns stehende Aufgabe.
Alle diese Ansätze sind nichts weiter als flüchtige und perspektivlose Versuche, die eigene Struktur aufrechtzuerhalten, solange keine offensiv kämpfende Arbeiter:innenbewegung existiert. Politisch gesehen sind sie aber Sackgassen, zumal sie jetzt den Raum besetzen, in dem die wiedergeborene revolutionäre Bewegung wachsen muss. Es handelt sich um Varianten des Sofortismus4, die wiederum weder den Zustand noch die Aufgaben der heutigen kommunistischen Bewegung begreifen. Der richtige Weg ist nicht der schnellste: Er muss wie ein:e Marathonläufer:in gelaufen werden.
Sofortismus und Movementismus überschneiden sich in ihrem Opportunismus und Liquidatorentum und gehen oft Hand in Hand, da sie symptomatisch für einen Mangel an Strategie oder für ihr komplettes Fehlen sind. Es hat keinen Sinn, um der Existenz oder des Wartens willen zu existieren. Sie sind opportunistisch, denn sie vergessen oder verschieben langfristige Ziele zugunsten eines alltäglichen modus vivendi (etwa „Lebensweise“), zugunsten vorübergehender Ziele ohne Zukunft. Sie sind liquidatorisch, weil sie auf diese Weise den Wiederaufbau der Partei gefährden, indem sie die Kräfte ohne Orientierung auf ein durchdachtes und realistisches Projekt verbrauchen. Sofortismus und Movementismus sind Hindernisse für den Aufbau der kommunistischen Organisation und des politischen Kampfes.“
[…]
„Wir begreifen die gegenwärtige Herausforderung, vor der die kommunistische Bewegung in Frankreich steht, in erster Linie als ein qualitatives Problem: Es gibt nicht genügend potenzielle kommunistische Kader:innen (Qualität), weil wir nicht zahlreich genug organisiert sind (Quantität), aber entscheidend, um aus dieser Sackgasse herauszukommen ist, dass es augenblicklich nicht genügend potenzielle kommunistische Kader:innen gibt (Qualität). Die Partei ist das Produkt der kommunistischen Bewegung als Ganzes, ein qualitativer Sprung, der einem bestimmten Sammlungsniveau entspricht, aber sie wird „von oben“ wieder aufgebaut, d. h. von den kompetentesten und engagiertesten kommunistischen Aktivist:innen. Es ist unbedingt notwendig, die Krise der kommunistischen Leitung zu überwinden, damit wir endlich dort weitermachen können, wo unsere Bewegung im letzten Jahrhundert aufgehört hat.
Ohne dass die subjektiven Bedingungen die objektiven überschatten, ermöglicht es uns die Geschichte der kommunistischen Parteien, die hauptsächliche Bedeutung des hohen qualitativen Niveaus der kommunistischen Kader:innen für die Bedingungen ihrer Gründung und für ihren revolutionären Erfolg zu erfassen. So wurde beispielsweise die Kommunistische Partei Chinas 1921 von 54 Mitgliedern gegründet. Die Kommunistische Partei der Philippinen wurde nach der ersten Korrekturbewegung 1968 von 80 Mitgliedern neu gegründet.
Die Hauptaufgabe derjenigen, die am Wiederaufbau der Partei arbeiten, besteht daher darin, ihr Rückgrat und Nervensystem wiederherzustellen: ihre Kader:innen. Wir definieren ein:e kommunistisch:e Kader:in als jemanden, die aufgrund ihrer Fähigkeiten und Erfahrungen in der Lage ist, die kommunistische Linie zu verkörpern, d. h. in diesem Sinne zu handeln, zu lehren und zu führen.
Kommunistische Bildung ist theoretisch (das Verständnis der Welt), ideologisch (die Beziehung zwischen sich selbst und der Welt – «die Übereinstimmung zwischen Denken und Empfinden») und politisch (der Kampf) und findet innerhalb des Theorie-Praxis-Verhältnisses (zwischen Wissen und Können) statt. Die Ausbildung eine:r kommunistischen Kader:in muss auf jede revolutionäre Arbeit vorbereiten, ob legal oder illegal, alltäglich oder außergewöhnlich. In diesem Sinne beinhaltet sie auch psychologische, physische und technische Vorbereitungen. Die Aneignung theoretischer, ideologischer und politischer Kader:innenfähigkeiten entwickelt sich und geschieht im Verhältnis zu den konkreten Mitteln unserer konkreten Situation, aber die Ausbildung eine:r kommunistischen Kader:in ist als Ganzes ein unteilbarer Block.
Die Kader:in ist die handelnde kommunistische Kraft, auf jedem Gebiet und in jedem Moment des Klassenkampfes. Das bedeutet nicht, dass ein:e Kader:in in jedem Bereich gleich fähig sein muss, oder dass sie überall gleichzeitig sein muss: Damit alle ihr volles Potenzial ausschöpfen können, müssen die Kader:innen spezialisiert sein und als Kollektiv zusammenwirkend arbeiten. Es bedeutet vielmehr, dass ein:e Kader:in in der Lage sein muss, die Rollen, die die Partei und die kommunistische Revolution von ihr verlangen, effektiv und zuverlässig zu erfüllen.
Das ganze Problem besteht also darin, zukünftige Kader:innen für die Partei zu schaffen, während die Kader:innen in der Partei geschaffen werden. Ein:e Kader:in werden, ist wie ein Schwert zu schmieden, es muss in der Hitze des Klassenkampfes passieren. Daher ist es unmöglich, Kader:innen ohne eine Partei schaffen (man kann nur das wissen und das können, was man bereits kann). Aber wenn wir die Partei wieder aufbauen wollen, müssen wir jetzt damit beginnen, ihre Grundlagen zu schaffen, und das bedeutet, kommunistische „Proto-Kader:innen“ auszubilden, die in der Lage sind, – obwohl planlos und unerfahren – Führungsrollen in den Organisationen zu übernehmen, die der Partei vorausgehen. Dies ist ein weiteres Hauptziel unserer Organisation.»
Wir sind davon überzeugt, dass die meisten Organisationen in Frankreich die Aufgabe der Kader:innenentwicklung im Aufbau einer wirklichen politische Organisation nicht ernst nehmen. Dass es sich um einen langfristiger Plan hin zu kommunistischer Professionalität handeln muss. Es gibt Verwirrung über Mittel und Zwecke eines solchen Prozesses, die zum Liquidatorentum führt.
Idealistische Vorstellungen von der Revolution wohnen in den Köpfen vieler Kommunist:innen. Für manche ist die Revolution nur ein sehr großer Protest, der sich zu einer menschlichen Welle steigert, die letzten Endes den Staat wegspült. Für andere ist der politische Massenstreik immer noch eine relevante revolutionäre Strategie, etc. Im Angesicht dieser Art von Fragen (Was kann und was kann keine Form der Revolution im 21. Jahrhundert in einem Land wie Frankreich sein?) wollen wir bei einer eventuellen Antwort bescheiden bleiben. Wir sind allerdings sehr skeptisch gegenüber der vorherrschenden Tendenz, den Staat und seine Armee aus Berufssoldat:innen zu unterschätzen; aber auch gegenüber der verbreiteten Überschätzung reformistischer Mittel für die Erreichung hauptsächlich ökonomischer Ziele (Proteste, Riots, Besetzungen, Streiks, etc.), bei der man davon ausgeht, dass diese sich in revolutionäre Mittel für radikale politische Zwecke wie die Revolution verwandeln.
Viel zu oft werden diese Probleme auf Fußnoten verlagert und Revolution wird schlussendlich auf eine romantische Parole reduziert – anstatt einen konkreten Weg zu einem wirklichen Sieg zu zeigen. Wir haben das anhaltende Gefühl, dass viele Kommunist:innen sich Gedanken über die Bedeutung des Begriffs „Revolutionär“ in den jeweiligen Kontexten selbst nicht erlauben. Heute und jetzt, nicht im Abstrakten. So enden sie als Gefangene ihrer eigenen Tagträume.
Wir glauben, dass die Antworten auf diese Probleme in unserer Geschichte zu finden sind, und dass wir unsere Strategie hier und jetzt auf der Grundlage dieser universellen Lehren aufbauen müssen. Mit den universellen Lehren der Geschichte können wir das revolutionäre Potenzial in unserer gegenwärtigen Situation finden, niemals indem wir die oberflächlichen Entwicklungen in dieser speziellen unmittelbaren Situation betrachten. Wie Marx es formulierte: „Wissenschaftliche Wahrheit ist immer paradox vom Standpunkt der alltäglichen Erfahrung, die nur den täuschenden Schein der Dinge wahrnimmt.»5
Könntet Ihr einige eurer wichtigsten Errungenschaften in eurer theoretischen Arbeit hervorheben?
In der theoretischen Arbeit ist unser Hauptziel, die grundlegenden theoretischen und politischen Lehren der klassischen revolutionären Werke wiederzuentdecken und zu versuchen, sie in unserem heutigen französischen Kontext zu begreifen. Nur sehr wenige unserer theoretischen Werkzeuge sind per se „unsere eigenen“.
Wir begreifen unsere Situation als die einer organischen Krise der Arbeiter:innenbewegung, die durch den „keynesianischen Konsens“ hervorgerufen wurde. Dieser Konsens wird nun durch die neoliberale Offensive beendet, die sich als Tendenz zur Rückkehr zum Kapitalismus aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg in den Ländern des imperialistischen Kerns zusammenfassen lässt. Die oben erwähnte organische Krise hat die kommunistische Bewegung in Frankreich zu dem herabsinken lassen, was sie heute ist: Etwas, das wir als „Sektentum“ bezeichnen, und was Lenin im zaristischen Russland die „Kruschkowschtschina“6 nannte (die Phase der kleinen Zirkel im Gegensatz zu „Partiynost“7, der Parteiphase). Um effiziente und richtige Arbeit für den Wiederaufbau einer revolutionären Partei zu leisten, müssen wir zunächst begreifen, womit wir es zu tun haben. Dann schauen wir uns die Erfahrungen derer an, die vor uns kamen, und versuchen, universelle Lehren in ihrem Denken und Handeln zu finden. Das Studium des Sektentums ist für uns sowohl für unsere allgemeine strategische Linie als auch für unsere Taktik im Prozess des Parteiaufbaus nützlich. Es ermöglicht uns, zu verstehen, warum andere Organisationen – mit den aufrichtigsten Absichten – in Opportunismus verfallen, und wie wir selbst leicht die gleichen Fehler begehen können (oder vielleicht schon machen). Zu wissen, wie die russische „Kruschkowschtschina“ letztendlich die bolschewistische Partei hervorbrachte (eine Organisation, die in der Lage ist, revolutionäre Führung in einer Zeit der schweren Krise zu geben), ist auch ein gutes Mittel, um Defätismus („Die revolutionäre Linke wird sich nie erholen“) sowie idealistische, unrealistische Erwartungen („In ein paar Jahren haben wir die Partei!“) zu bekämpfen.
In Frankreich sind die Gewerkschaftsbewegung und der Ökonomismus sehr hegemonial. Die Haltung der Marxist:innen zu diesem Thema, von Marx über Luxemburg bis Lenin, ist allerdings unglaublich klar. Wir raten jede:r aufrichtigen Revolutionär:in, sich auf wesentliche Arbeiten zu besinnen: Das Manifest der kommunistischen Partei (Marx und Engels, 1848), Lohn, Preis und Profit (Marx, 1865), Sozialreform oder Revolution? (Luxemburg, 1899) oder Was tun? (Lenin, 1902). Sogar sehr kurze Texte wie „Womit beginnen?“ (Lenin, 1901) enthalten viele Wahrheiten, die heute meist vernachlässigt oder verworfen werden. Jede aufrichtige Leser:in, die nicht nur nach Passagen sucht, um die eigene Praxis zu rechtfertigen und so bereits bestehende Vorstellungen darüber, was richtig oder falsch ist, zu untermauern, wird sehr wichtige Einsichten zum korrekten Verhältnis zur Gewerkschaftsarbeit finden, insbesondere in der Phase des Parteiaufbaus. Die organische Krise, die die Arbeiter:innenbewegung in den imperialistischen Ländern immer noch durchlebt, lässt sich nicht auf eine frühere Epoche des Kapitalismus reduzieren, aber die Wege aus der Krise heraus sind trotzdem dieselben wie die, die unsere Vorgänger:innen beschritten haben.
Kommunist:innen verschiedener Richtungen liquidieren ihre Arbeit und ihre Organisation in den Gewerkschaften, wobei sie verschiedene Argumente anführen, um diesen Fehler zu rechtfertigen. Auf diese Weise vernachlässigen sie den Aufbau einer wirklich politischen revolutionären Organisation in Richtung Kommunistische Partei, wenn sie ihn nicht sogar aufgeben. Es herrscht große Verwirrung darüber, was die aktuelle Priorität der revolutionären Bewegung in Frankreich ist und was nicht, d. h. Aufgaben und deren richtige Ausführung durch die Kommunist:innen. Wie bereits gesagt, glauben wir, dass der Aufbau von Kader:innen letzten Endes die wichtigste Aufgabe ist, denn alles, was wir tun, dient diesem Ziel – und ist eine Verschwendung von Zeit, Energie und Potential, wenn es das nicht tut. Viele Revolutionär:innen aller möglichen Richtungen sind mit gewerkschaftlicher und lokaler Massenarbeit zufrieden oder glauben, dass sie eine Priorität oder zumindest ein guter erster Schritt ist: Wir glauben, dass das sehr falsch ist. Um Lenin zu zitieren:
„Unsere Bewegung leidet unter sowohl in ideologischer als auch in praktischer, organisatorischer Hinsicht vor allem unter ihrer Zersplitterung, darunter, daß die übergroße Mehrheit der Sozialdemokraten fast völlig in der rein örtlichen Arbeit aufgeht, die sowohl ihren Gesichtskreis als auch der Elan ihrer Tätigkeit, ihre konspirative Gewandtheit sowie ihre Schulung einengt.“ (Lenin, Womit beginnen?, 1901)
Auf einer anderen Ebene versuchen wir, das „Wissenschaftliche“ des „wissenschaftlichen Sozialismus“ ernst zu nehmen. Bei Kommunist:innen gibt es oft ein paradoxes Verhältnis zum Begriff der Wissenschaft, und wir finden es schade, dass er oft auf ein Verhalten reduziert wird, bei dem wir alles, was uns gefällt oder dem wir zustimmen, als „wissenschaftlich“ bezeichnen, ohne echten Anspruch, einer solchen Bezeichnung auch zu entsprechen. Wir glauben, dass beide Wörter im Begriff „wissenschaftlicher Sozialismus“ wichtig sind. Wir können nicht das eine vernachlässigen, um dem anderen zu „dienen». Entweder sind wir Wissenschaftler:innen der sozialen Veränderung, oder wir werden nichts verändern: Es gibt kein Dazwischen. Wissenschaft ist keine Sache des „Glaubens“, sondern der Tatsachen, und wenn der Wille die Materie verändern will, muss er sich zunächst dem Studium der Materie unterwerfen, denn er wird niemals aus sich selbst heraus über die Materie „triumphieren“. Erkenntnistheoretische Disziplin macht den Unterschied zwischen einer Strategie und einer selbsttäuschenden Phantasie aus, und zwischen uns und den verschiedenen utopischen oder reaktionären Träumer:innen.
„Revolutionäre Theorie muss in der Untersuchung der Gesellschaft gebildet und bewiesen werden, jetzt und in Zukunft. Sie muss der kompromisslosesten wissenschaftlichen Strenge unterworfen werden, um konsistent zu sein. Das ist nicht die Leitlinie eines idealistischen Intellektualismus, sondern die der Revolutionär:innen, denn ohne revolutionäre Theorie ist nichts möglich, und wenn sie nicht stimmt, d. h. mit der Realität übereinstimmt, hat sie keinen Wert.“
„Entweder werden unsere Theorien aus der Wirklichkeit abgeleitet und systematisch ihrem Urteil unterworfen, oder sie sind Phantasien und auf unsere Vorstellungskraft beschränkt. Wir müssen die Ansprüche an revolutionäre Theorie so hoch ansetzen, wie es unsere Ziele verlangen, indem wir unsere Methoden anwenden und weiterentwickeln: Wissenschaftlichkeit ist kein Wunschdenken, sondern eine Bedingung, um zu gewinnen.“
Im Kontext der Wissenschaft haben wir dem Thema Geschichte große Aufmerksamkeit gewidmet. Die historische Erfahrung ist eines der größten Vermächtnisse, das uns unsere revolutionären Vorgänger:innen hinterlassen haben; dennoch sind wir der Meinung, dass es noch viel zu wenig genutzt wird.
„Wo und wann sind die Kommunist:innen bei der Verwirklichung ihres Projekts am weitesten gegangen? Warum ist es ihnen gelungen, es so weit voranzubringen, und warum ist es ihnen nicht gelungen, es weiter zu bringen? Waren sie ehrlich oder nicht? Und vor allem: Wo hatten sie ehrlich recht oder ehrlich unrecht? Nichts ist hier offensichtlich.
Um diese Fragen zu beantworten, ist es unserer Meinung nach notwendig, sich dem Kampf um die Geschichte zu widmen. Dieser Kampf findet nicht so sehr zwischen dem kommunistischen und dem bürgerlichen Lager, zwischen zwei Lesarten der Geschichte durch zwei Klassen statt, sondern zwischen Wissenschaft und historischem Obskurantismus. Natürlich dient dieser Obskurantismus nur den Feinden der Revolution, aber nicht immer so, wie wir denken. Tatsächlich ist die antikommunistische Geschichtsschreibung die Speerspitze der bürgerlichen Ideologie, aber wir dürfen auch nicht vergessen, unsere falschen Freunde zu bekämpfen. Das sind jene, die in dem Versuch, den Antikommunismus zu bekämpfen, in eine verknöcherte, blindparteiische und dogmatische Verteidigung der vergangenen sozialistischen Erfahrungen verfallen. Bei dieser Art der Reaktion geht es darum, das zu verteidigen, womit man sich identifiziert, und nicht darum, über unbefriedigende und daher nutzlose Erklärungen hinauszugehen.
Die erste Folge dieser Haltung ist die Verwechslung von Mittel und Zweck: nicht mehr verteidigen, um zu verstehen, und verstehen, um zu verteidigen, sondern nur noch verstehen, um zu verteidigen. Wenn wir in die Geschichte blicken, dann vor allem, um uns die Mittel zu erobern, um morgen zu gewinnen, mit dem Vorteil des Bewusstseins unserer vergangenen Misserfolge. Doch wer das vergisst, schaut nur noch in die Geschichte, um auf die bürgerliche Propaganda zu reagieren, und vergisst dabei das Wichtigste von allem: Warum haben wir versagt? Unsere erste revolutionäre Pflicht ist es, diese Frage zu beantworten. Warum haben wir nicht schon gewonnen? Was haben unsere Vorgänger:innen falsch gemacht, und wofür waren sie blind?
Die zweite Konsequenz ist, dass wir uns auf eine Lesart der Geschichte versteifen, die nicht richtiger ist als die der Bourgeoisie und die deshalb nicht dadurch überzeugen kann, dass sie den bürgerlichen Analysen qualitativ überlegen wäre. Wenn wir auf „X war schlecht» nur mit „X war gut“ antworten können, dann trösten wir uns selbst, aber wir können niemanden überzeugen, außer durch die Forderung nach einer Erklärung für unsere Grundsätze. Die eben nur das Gegenteil von dem ist, was die herrschende Ideologie anbringt und die nicht überzeugender ist, sondern nur eine Minderheitsposition verdeutlicht. Unser Kampf um die Geschichte ist auch der Kampf für eine bessere Geschichtsschreibung, vom Standpunkt der Wissenschaft aus gesehen. Besser als das, was die Bourgeoisie und ihre Ideologie anbieten können. Es ist ein Kampf um die Geschichte (Wissenschaft) auf dem Schlachtfeld der Geschichte (dem Objekt).»
„Kommunist:innen haben ein sehr besonderes Verhältnis zur Geschichte. Erstens allgemein, da die dialektisch-materialistische Geschichtstheorie unserem Aktivismus Bedeutung verleiht (persönlich, wissenschaftlich und strategisch). Zweitens konkret zu unserer eigenen Geschichte, die oft Gegenstand heftiger Kontroversen ist. Unsere Geschichte ist ein „Kampf“ denn sie besteht aus allen Erfahrungen der globalen revolutionären Arbeiter:innenbewegung. Eine Analyse dieser Erfahrungen ist sowohl dringend als auch alles andere als selbstverständlich.
Dabei treffen die Kommunist:innen auf den Antikommunismus von rechts und links sowie auf die Schwierigkeiten wissenschaftlicher Arbeit. Der Antikommunismus ist ein doppeltes Hindernis. Zum einen ist er ein äußeres Hindernis für den Fortschritt unserer Bewegung. Zum anderen aber ist er auch ein antihistorisches Konstrukt, das in uns lebt und jede wissenschaftliche Analyse unserer Vergangenheit verunmöglicht. Am gefährlichsten an ihm ist nicht seine Eigenschaft als Instrument der Bourgeoisie, sondern dass er uns vergesslich oder blind macht. Der von uns vorgeschlagene ‚Kampf um die Geschichte‘, ist also sowohl ein Kampf gegen antikommunistische Narrative als auch ein Kampf um die Geschichtswissenschaft, der sowohl außerhalb als auch innerhalb des kommunistischen Lagers geführt werden muss!“
Das Studium der Geschichte und die Erkenntnis, auf welche Arten sie sowohl von reaktionären als auch von fortschrittlichen Kräften betrieben und genutzt wird, führte uns zur Beschäftigung mit der menschlichen Irrationalität. Wir haben einen Text über Verschwörungstheorien veröffentlicht, insbesondere über solche in der früheren und heutigen revolutionären Linken. Wir haben versucht, einige wiederkehrende Schemata bei der Integration von verschwörungstheoretischen Weltanschauungen in das Denken der Revolutionär:innen aufzuzeigen. Die sowjetische Richtung verfiel beispielsweise weitgehend in verschwörungstheoretisches Denken, da ihr das richtige wissenschaftliche Werkzeug fehlte, um vollständig zu verstehen, was in ihrem eigenen Land während des ersten Übergangs zum Sozialismus in der Geschichte geschah. Was wir ihr weder vorwerfen können, noch heute oder in Zukunft wiederholen dürfen. Um unsere Schlussfolgerungen zusammenzufassen: Verschwörungstheoretisches Denken ist eine unwissenschaftliche, letzten Endes reaktionäre und gefährliche Abweichung, die sowohl im Denken unserer Feinde als auch in unserem lebt. Wir müssen es definieren, wir müssen es erkennen und wir müssen es bekämpfen. Das ist ein eigener ideologischer Kampf.
Viele unserer Genoss:innen haben früher in der radikalen Umweltbewegung gearbeitet, und in unserem Versuch, die ökologischen Notwendigkeiten des 21. Jahrhunderts mit der kommunistischen Theorie zu verbinden, haben wir den Begriff der „Totalen Ökologie“ entwickelt. Für sie kämpfen wir und die Menschheit braucht sie.
„Der Widerspruch zwischen Gesellschaft und Natur ist der älteste soziale Widerspruch. Mit dem Entstehen der kapitalistischen Industrie, als ein hauptsächlicher Bestimmungsfaktor der Menschheitsgeschichte im 21. Jahrhundert, ist er wieder in den Mittelpunkt gerückt. Mit der grenzenlosen Entwicklung der Warenproduktion ist dieser Widerspruch antagonistisch geworden: Gesellschaft und Natur stehen in einem sich gegenseitig zerstörenden Verhältnis. Der gesellschaftliche Druck ist für die Natur unerträglich geworden, und der ökologische Druck wird für die Gesellschaft unerträglich werden. Dieser Antagonismus ist jedoch nicht notwendig. Das zu betonen ist wichtig, denn es bedeutet, dass auch seine Auflösung nicht notwendig die Zerstörung des einen durch das andere bedeutet.
Heute sind wir mit drei Szenarien und der Verantwortung zu entscheiden, welches unsere Zukunft sein wird, konfrontiert:
1) Entweder wir beseitigen den Antagonismus des Widerspruchs und lösen ihn dann auf nicht-antagonistische Weise, mit dem Übergang zu einer kommunistischen Industrie;
2) oder wir bewegen uns auf die antagonistische Auflösung des Widerspruchs zu, durch die Zerstörung der gesamten Industriegesellschaft, durch eine Umwelt, die ihre Reproduktion nicht mehr zulässt;
3) oder wir steuern auf den gemeinsamen Untergang der widersprüchlichen Elemente zu, mit der Zerstörung der Natur, die unser Überleben ermöglicht, und damit der gesamten Industriegesellschaft.
In diesen beiden letzten Szenarien überlebt die Industriegesellschaft nicht (der Unterschied liegt im Ausmaß und im qualitativen Niveau der dabei geschehenden Zerstörung der Natur). Aber ohne Industrie ist der Kommunismus unmöglich, und ohne Kommunismus wird die Industrie mit der Krise der Ökosysteme ihre eigenen Grundlagen vernichten. Die Wahl ist eigentlich nur eine Frage: Totale Ökologie oder der historische Rückfall des Zivilisationsgrads der Menschheit,
[…]
Zwischen Ökologie und Kommunismus besteht eine dialektisches Verhältnis ihrer Notwendigkeiten. Es geht aber nicht um irgendeine Ökologie, sondern um eine totale Ökologie. Damit meinen wir die totale Unterordnung der Gesamtheit der Produktion und sozialen Praxis unter die Logik des Schutzes der Ökosysteme, von denen wir direkt oder indirekt abhängen.
Die totale Ökologie ist einfach die praktische Anwendung der Formel „jedem nach seinen Bedürfnissen“ im Zeitalter der Umweltkrisen. Da der Kommunismus ein System ist, in dem die Warenproduktion erst nach und nach durch die Produktion von Gebrauchswerten ersetzt wird, kann letztere nicht von Anfang bis Ende – total – von ökologischen Richtlinien geleitet werden.»
Last but not least: Der kommunistische Feminismus. Wir sind erstens von der Notwendigkeit der Feststellung überzeugt, dass die „Frauenfrage“ ein besonderes Problem ist, das eine radikale Lösung, einen „Feminismus“ benötigt – als Waffe der Frauen gegen das Patriarchat. Wir sind zweitens davon überzeugt, dass dieser Feminismus notwendig ein kommunistischer sein muss. Der Frauenkampf braucht den dialektischen Materialismus nicht weniger als der Arbeiter:innenkampf.
Unser kommunistischer Feminismus hat zwei Hauptziele: Erstens, sich von der herrschenden ökonomistischen Strömung im marxistischen Feminismus zu lösen, die sich fast ausschließlich auf die materielle Reproduktion der Ungleichheit zwischen Männern und Frauen konzentriert und das politische Problem der systematischen und gewaltsamen Unterdrückung von Frauen durch die Männer ignoriert. Zweitens, die politischen Beiträge des radikalen Feminismus in einen dialektisch-materialistischen theoretischen Rahmen und eine revolutionäre Strategie zu integrieren.
„Wir unterstützen den Feminismus allgemein als einen fortschrittlichen Kampf zur Auflösung des Widerspruchs zwischen Männern und Frauen. Aber wir stellen fest, dass der einzige Feminismus, der in der Lage ist, die Befreiung der Frauen zu erreichen, der revolutionär-proletarische und damit kommunistische Feminismus ist. Nur er kann die ökonomischen Verhältnisse überwinden, die die Unterdrückung der Frau durch den Mann garantiert.
Wie kann er dies bewerkstelligen? Durch die Vergesellschaftung der Hausarbeit, der Last der sexuellen Reproduktion (Menstruation, Empfängnisverhütung, Schwangerschaft, Geburt, Mutterschaft usw.) und der Kindererziehung, um nicht nur die der Familie innewohnende soziale Ungleichheit zu beseitigen, sondern auch die Ungleichheit der Geschlechter – soweit es möglich ist – zwischen Männern und Frauen abzuschaffen. Und durch die Abschaffung aller geschlechtsbedingten Unterschiede in Produktion und Distribution (Ausbildung, Status, Einkommen usw.).
Kapitalismus und Patriarchat arbeiten zusammen und unterstützen einander. Der Kapitalismus erhält das Patriarchat aufrecht und benutzt es, um die Ausbeutung zu maximieren. Dank der Machtverhältnisse zuungunsten der Frauen kann das Kapital den Preis für weibliche Arbeit senken und den Anteil der kostenlosen Hausarbeit der Frauen erhöhen, um den Preis für männliche Arbeit weiter zu senken. Darüber hinaus spaltet das Patriarchat Ausgebeutete und Ausgebeutete, schafft Uneinigkeit und kämpft direkt gegen die Organisierung und Rebellion der Frauen. Auf diese Weise wird die ökonomische Ungleichheit zwischen Frauen und Männern erzeugt und aufrechterhalten, und so sind Frauen von Männern abhängig. Sowohl das Kapital als auch Männer brauchen eine Masse von beherrschbaren, gefügigen proletarischen Frauen. Nur der kommunistische Feminismus kann die doppelte Dynamik des weiblichen und proletarischen Verhältnisses radikal wenden.
Nach diesen Feststellungen möchten wir aber betonen, dass die Frage der Frauenemanzipation in erster Linie eine Machtfrage ist, d. h. eine Frage politischer Herrschaft. Diese wird durch die wirtschaftliche Ausbeutung notwendig, die sie selber festigt, auf die sie aber nicht strikt reduziert ist (wie es auch beim Proletariat der Fall ist). Die Befreiung der Frauen kann also nicht einfach eine Frage der Umverteilung des Reichtums sein. Die materielle Autonomie der Frau ist eine grundlegende Forderung, denn sie ist die Forderung nach Selbstbestimmung unabhängig von Familie und Mann. Aber neben einem Programm der sozioökonomischen Gleichheit brauchen wir ein Programm für die politische Übernahme der Macht. Diese muss eine umfassende Offensive sein: im privaten und öffentlichen Leben, im Alltag und in der Politik, ideologisch und konkret usw. Die Überwindung des ältesten internen sozialen Widerspruchs der Gesellschaft – des Patriarchats – muss ein allseitiger Kampf sein, der auch durch die Überwindung seines Widerstands durch Gewalt gewonnen werden muss. Der Widerspruch zwischen Mann und Frau ist zwar nicht antagonistisch, aber bestimmte Aspekte sind es unwiderruflich und müssen so behandelt werden.
„Der kommunistische Feminismus führt nicht nur den Kampf der proletarischen Schwestern an, sondern auch den von Frauen aller Klassen. Kommunistische Schwesternschaft zeichnet sich in erster Linie durch die Einheit der Klasse aus, aber die Sache der proletarischen Frauen leitet auch die Sache der „fremden Schwestern“, so wie die Emanzipation des Proletariats die Befreiung der Menschheit als Ganzes anführt und beinhaltet – über Klassen hinaus.
Die marxistisch-feministische Strömung und die kommunistische Frauenbewegung werden heute weitgehend vom Ökonomismus dominiert: Die Beschränkung der Anliegen der Frauen auf vorwiegend ökonomische Fragen (Löhne, Mieten, Elternzeit usw.). Das ist kein Zufall und hat auch damit zu tun, dass die kommunistische Bewegung immer noch von Männern dominiert wird. Diese ökonomischen Forderungen lassen nämlich männliche Herrschaft in ihrer politischsten Form unangetastet. Es handelt sich um einen amputierten Feminismus, der für die männlichen Genossen nur halb gilt. Durch die Reduzierung auf die Forderungen nach formaler Gleichheit in der Wirtschaft und nach einigen Grundrechten bleibt die viel tiefer liegende ideologische und politische patriarchale Struktur unangetastet. Manchmal wird dieser oberflächliche Feminismus als der einzig annehmbare mit Argumenten zur Klassenfrage gerechtfertigt: „Wir müssen die Anliegen der proletarischen Frauen verteidigen, nicht die Anliegen der Frauen im Allgemeinen“. Wir stellen uns radikal gegen diese Auffassung, die sich hinter einer revolutionären Fassade versteckt, aber als rückwärtsgewandte Position innerhalb der feministischen wie auch proletarischen Kämpfe entpuppt. Wie Lenin zu seiner Zeit gegen Lassalianer:innen, Ökonomist:innen, Volkstümler:innen und Ultralinken vertrat, dass das Proletariat auch den Kampf für die politische Freiheit der (damals fortschrittlichen) Bourgeoisie führen sollte, so müssen kommunistische Feminist:innen die Anliegen aller Frauen verteidigen. Damit machen sie das weibliche Proletariat zur Avantgarde aller Frauen und bringen den kommunistischen Kampf auch hier in den an die Spitze der politischen Zeitfragen.
Wir können uns des Eindrucks nicht erwehren, dass jene, die Feminismus als „bürgerlich“ oder „falsch“ abtun, die ihn als einen konkreten Frauenkampf ablehnen, der sich nicht allein auf proletarische Frauen beschränkt, in Wahrheit ihre Angst vor der Wut der Frauen, vor der Gewalt der Frauen verstecken, die manche Männer am liebsten durch „Maßnahmen“ kontrollieren wollen würden. Entweder wir nehmen den Feminismus an, oder wir entstellen den Marxismus durch unseren männlichen Opportunismus, indem wir die fortschrittliche Rolle des Frauenkampfes beschränken.»
Wir haben unsere Texte in unserem kürzlich veröffentlichten Buch über uns selbst, „Sur Unité Communiste“ zusammengefasst.
Welches sind die wichtigsten theoretischen Themen, zu denen Ihr derzeit plant zu arbeiten?
In den nächsten Jahren wollen wir unsere Analyse des heutigen Imperialismus intensivieren. Das korrekte Verständnis des gegenwärtigen Weltsystems, seiner Natur, seiner Form, seiner Widerstandsfähigkeit und seiner Krise usw. ist für jede revolutionäre Strategie von zentraler Bedeutung.
Dabei wollen wir uns zusammen mit den Werken von Samir Amin und Arghiri Emmanuel beschäftigen, zwei Theoretiker des ungleichen Austauschs, der Abhängigkeit unterdrückter Nationen und des Kolonialismus. Wir denken, dass sich viele Debatten erledigen könnten, wenn eine genauere Definition des Begriffs Imperialismus und eine wissenschaftlichere Darstellung des heutigen Weltsystems vorliegen würden. Veraltete Imperialismusmodelle und mechanisch angewandte Begriffe sind die Ursache für viele politische Schiffbrüche – subjektivistische, antiwissenschaftliche Abweichungen.
Der Krieg in der Ukraine und der Krieg in Palästina zeigen einmal mehr, wie drängend die politischen Probleme des Imperialismus und Kolonialismus für Revolutionär:innen sind.
Außerdem planen wir eine Untersuchung zu einem anderen komplexen Thema, zu dem viel Tinte verschüttet wird: Dem Faschismus.
Wenn man aus Deutschland die Klassenkämpfe in Frankreich beobachtet, hat man normalerweise den Eindruck, dass die Klassenkämpfe sehr viel weiter entwickelt sind. Wie beurteilt ihr den Zustand der Arbeiter:innenbewegung?
Sowohl die objektiven als auch die subjektiven Bedingungen des Klassenkampfes in Frankreich sind vom revolutionären Standpunkt aus gesehen sehr unterentwickelt. Natürlich fehlt uns eine subjektive Kraft – die Partei -, aber die objektiven Bedingungen sind von ihr nicht getrennt oder über alle Maßen entwickelt. Sie befinden sich noch auf einem sehr niedrigen Entwicklungsniveau. Diese Feststellung ist kein Defätismus. Wir wollen nur unsere Träume nicht mit der Realität verwechseln.
Die ökonomische Organisierung der Arbeiter:innenklasse in Frankreich ist nicht mehr in der Lage, wirkliche Siege zu erringen: Das Niveau des Klassenkampfs, den die neoliberale Bourgeoisie der Arbeiter:innenklasse in Frankreich heute aufdrückt, ist weit höher als das, auf das sich die Gewerkschaften einzulassen bereit sind. Anders ausgedrückt: Die Stärke und die Mittel der Gewerkschaften entsprechen immer noch einer Phase des Kapitalismus in Frankreich, die nun zu Ende geht. Die Bourgeoisie setzt ihre Offensive langsam aber stetig fort, und die Organisierung der Arbeiter:innenklasse ist dem nicht gewachsen.
Natürlich sind soziale Rebellionen wie die Gelbwesten-Bewegung sehr enthusiastisch, weil sie zeigen, dass die französischen Volksmassen nicht „schlafen“ und sich der inzwischen sehr offensichtlichen Grenzen des „traditionellen“ Gewerkschaftskampfes bewusst sind. Während dieser Bewegung kam es zu spontanen politischen Umwälzungen: Zum ersten Mal seit langem wurde die Frage der politischen Macht ausdrücklich gestellt. Solche Rebellionen dürfen nicht überschätzt werden, weder in ihrer Stärke noch in der tatsächlichen Bedeutung ihrer Umwälzungen. Aber sie dürfen auch nicht verworfen oder unterschätzt werden, denn sie sind nichts Oberflächliches.
Der Fakt, dass fast alle revolutionären Organisationen durch diese spontane Bewegung, die nicht den gewerkschaftlichen Ritualen entsprach, gelähmt wurden, spricht für sich. Viele strategische Fragen, die vorher nicht relevant waren, wurden plötzlich alle auf einmal gestellt. Die radikale Linke wurde hier weitestgehend von der Nachtrab-Politik beherrscht, bei der sie manchmal ungeschickt versuchte, gewerkschaftliche Methoden und Parolen auf die Gelbwesten zu übertragen, da sie mit diesen eher vertraut war.
Wir haben die Begeisterungswelle in der radikalen Linken, die mit dem zweiten Teil der Bewegung gegen die Rentenreform (nach den Corona-Lockdowns) einherging, überhaupt nicht geteilt. Wir haben darin nur das Ende der letzten Phase gewerkschaftlicher Niederlagen gesehen, ein weiterer Beweis der nun allseits bekannten Stagnation, die zum Scheitern führt. Es ist wichtig, sich in Erinnerung zu rufen, dass die Bewegung gegen die Rentenreform, obwohl größer, viel kürzer und weniger kämpferisch war als die Bewegung gegen die Arbeitsrechtsreform (2016).
“[…] Die Bewegung, die in den letzten Monaten in Frankreich stattfand und die an die Bewegung von Ende 2019/Anfang 2020 anknüpft, hat unserer Ansicht nach einen gewissen Ausnahmecharakter. Diese Besonderheit liegt nicht in ihrer Größe. An den Demonstrationen haben bis zu 3,5 Millionen Menschen teilgenommen, was weit über den Bewegungen von 1995 gegen den Juppé-Plan (2 Millionen) und 2016 gegen das Arbeitsgesetz (1,2 Millionen) oder 2017 mit den Gelbwesten (1 Million) liegt. Damit ist sie quantitativ gesehen die größte Bewegung seit Mai-Juni 1968 (10 Millionen Streikende). Aber abgesehen von der Größe findet das Ganze in der sehr orthodoxen gewerkschaftlichen Protesttradition der Fünften Republik statt. Selbst die inzwischen übliche Gewalt, die mit ihr einhergeht, ist nichts Neues. Sie ist Teil der Normalität der Bewegung geworden, sowohl als Teil der Demonstrationen die von den Gewerkschaften ausgehen, als auch durch die Polizei die zur Eindämmung eben jene Gewalt ausübt.
Gerade weil in der jüngeren Geschichte noch nie so viel auf die bekannte Streik-Demonstrations-Formel gesetzt wurde, ist ihre Machtlosigkeit heute ein Zeichen einer gewissen historischen Bedeutung.»
Aber mit dieser Sackgasse entstanden auch die ersten Ansätze ihrer Überwindung. Wir haben dazu geschrieben:
«In der gegenwärtigen Krise, die durch die Bewegung gegen die Rentenreform sichtbar wird, finden wir auch die Ansätze ihrer bevorstehenden Überwindung. Diese neuen Formen der Bewegung, also wirksamere und radikalere Aktionsformen, die die Sackgasse in der Etablierung von Gegenmacht durchbrechen, entwickeln sich heute sowohl inner- als auch außerhalb der Gewerkschaften. Beispiele dafür sind der gemeinsame unabhängige und gewerkschaftliche Widerstand von Arbeiter:innen die zur Arbeit gezwungen werden (manchmal durch militante Konfrontationen mit der Polizei), dezentrale Blockaden von Hauptstraßen oder Kontenpunkten oder dezentrale Demonstrationen, die die Strategien zur Aufrechterhaltung der Ordnung vor große Herausforderungen stellen. Die Radikalisierung der Bewegung liegt nicht so sehr in einer Zunahme der Gewalt (mehr und imposantere „schwarze Blöcke“) als vielmehr in der Vielfalt ihrer Taktiken.
Wir müssen von dem lernen, was funktioniert. In dieser Hinsicht müssen wir aus den Erfolgen und Niederlagen früherer Gewerkschaftsbewegungen sowie von verschiedenen anderen Bewegungen lernen. Insbesondere aus der Gelbwesten-Bewegung lassen sich viele Lehren ziehen, die sowohl in Bezug auf ihre soziale Zusammensetzung, ihren politischen Charakter als auch auf ihre Orte und Aktionsformen neu sind und nicht den Gewohnheiten der institutionellen, außerparlamentarischen oder gewerkschaftlichen Linken entsprechen.
Lasst uns aber keinen Fehler begehen. Veränderung durch Bewegungen ist ein positiver Schritt, aber sie führt nicht weiter, wenn sie nicht mit einer grundlegenden Veränderung verbunden ist: In ihren Begriffen. Das Problem ist nicht diese Reform, nicht die nächste und nicht die übernächste, denn sie sind nur Symptome des Neoliberalismus. Letzten Endes ist nicht einmal der Neoliberalismus selbst der richtige Schuldige, denn er ist lediglich Ausdruck eines Paradigmenwechsels der herrschenden Klasse. Das Problem ist die bürgerliche Herrschaft: Die Herrschaft der einen Klasse über die andere.»
Unsere Beobachtung mag pessimistisch klingen, aber sie ist das genaue Gegenteil. Wir sind sehr zuversichtlich, was die Entwicklung der Klassenkämpfe in Frankreich angeht, die seit nunmehr drei Jahrzehnten immer schneller voranschreitet. Aber dennoch muss die gegenwärtige Situation mit kühlem Kopf analysiert werden.
Im Jahr 2020 fand der zweite Kongress eurer Organisation statt, könnt Ihr kurz dessen Bedeutung für eure Entwicklung zusammenfassen?
Dieser „Kongress“ war für uns aus mehreren Gründen sehr wichtig. Erstens war er de facto der Vereinigungskongress zwischen L’Unité Communiste de Lyon und Éco Défence (einer revolutionären Umweltorganisation) zu dem, was später UnitéCommuniste werden sollte.
Dabei haben wir auch definiert, was UnitéCommuniste seither zu werden versucht. Wir analysierten und kritisierten unsere ersten Jahre, aber auch unsere jeweiligen Erfahrungen als Aktivist:innen in verschiedenen Organisationen (Gewerkschaften, Antifaschismus, Umweltbewegung, usw.). Zu diesem Zeitpunkt legten wir sowohl einen gewissen Idealismus als auch Dilettantismus ab. Der größte Teil unserer Strategie wurde durch diesen „Kongress“ und die von ihm gelegte Grundlage definiert.
Wir könnten sagen, dass UnitéCommuniste wirklich erst seit 2020 existiert, obwohl L’Unité Communiste de Lyon auf dem Papier schon seit 2016 existiert.
Könnt Ihr einige der grundlegenden ideologischen Leitlinien eurer Organisation erläutern?
Hier sind unsere 16 Gründungsprinzipien und Linien mit denen wir uns abgrenzen wollen:
1) Behaupten wir kommunistisch zu sein;
2) verteidigen wir den revolutionären Kampf für die Diktatur des Proletariats als Voraussetzung für die Errichtung des Kommunismus;
3) kämpfen wir für den Wiederaufbau einer außerparlamentarischen Opposition, hin zum Wiederaufbau der Partei;
4) führen wir einen ideologischen Kampf gegen den Opportunismus in all seinen Formen, um die Theorie und Ideologie der kommunistischen Bewegung zu erneuern;
5) erklären wir uns für Einheit und gegen organisatorisches Sektierertum in allen Formen und unter allen Vorwänden, um am Wiederaufbau der Partei zu arbeiten;
6) setzen wir uns für alle fortschrittlichen Kämpfe des Volkes ein, seien sie ökonomische oder politische, unabhängig von ihrer Mobilisierungsform;
7) wollen wir einen Rahmen für eine gesunde Genossenschaft schaffen, in dem ein langfristiges und professionelles Ausbildungsprogramm für Mitglieder entstehen kann;
8) wollen wir nach dem Prinzip der totalen Freiheit in der Debatte und der totalen Einheit in der Aktion arbeiten;
9) wollen wir uns auf einen politischen Konsens und eine freie theoretische und ideologische Debatte stützen;
10) wollen wir die Methoden des wissenschaftlichen Sozialismus anwenden;
11) verteidigen wir die historische Theorie des dialektischen Materialismus;
12) wollen wir Teil der Kontinuität der Geschichte der weltweiten Arbeiter:innenbewegung sein und diese studieren;
13) betrachten wir Frankreich als ein imperialistisches Land, und als solches ist es unsere Priorität als Kommunist:innen, gegen es zu kämpfen;
14) sind wir internationalistisch und solidarisch mit den Kämpfen der unterdrückten Völker und Arbeiter:innen in allen Ländern;
15) sehen wir es als selbstverständlich an, dass der feministische Kampf sowie der Kampf für die LGBTI-Emanzipation zu den unmittelbaren Aufgaben von Kommunist:innen gehören;
16) erkennen wir die Ökologie als vollwertigen Bestandteil des gegenwärtigen und zukünftigen Programms der Kommunist:innen an, und nehmen sie absolut ernst.
Was sind eure nächsten Entwicklungsziele als Organisation?
Um unseren Entwicklungsplan für die nächsten Jahre zusammenzufassen, haben wir folgende Ziele:
1) uns quantitativ und qualitativ auf nationaler Ebene in Frankreich weiterzuentwickeln;
2) Arbeit in unsere Massenorganisation „Renforce ton Camp“8 (RTC) stecken, um sie in die Lage zu versetzen, wirklich mit den Arbeiter:innen zu sprechen und „konkrete Lösungen“ für ihre „konkreten Probleme“ anzubieten;
3) unser internationalistisches Engagement zu verstärken.
1„Réponse aux questions de Kommunistischer Aufbau“, veröffentlicht am 4. Januar 2024, https://unitecommuniste.fr/articles/reponse-aux-questions-de-kommunistischer-aufbau/
2Deutsch: Revolutionär-Kommunistischer Bund. Trotzkistische Gruppe, die aus der 68er Bewegung in Frankreich entstanden ist. 2002 und 2007 erhielt ihr Präsidentschaftskandidat 4 % (ca. 1,5 Millionen Stimmen). 2009 Auflösung in der „Nouveau Parti Anticapitaliste“ die sich u.a. am Bündnis „Noveau Front Populaire“ zusammen mit Sozialdemokrat:innen und Grünen beteiligte.
3Eklektizismus bezeichnet die Vermengung verschiedener philosophischer Strömungen. Anm. d. Redaktion
4Im Original „immédiatisme“ – Ideologie die sofortige soziale Veränderung erreichen will. Anm. d. Übersetz.
5Marx – Lohn, Preis und Profit. 6. Wert und Arbeit.
6Vom Russischen Wort „Kreis/Zirkel“, in Deutschland meist als „Zirkelphase“ bezeichnet.
7„Parteiheit“. Der Begriff wird in der Regel für eine anzustrebende Haltung im Sinne der leninistischen Partei benutzt.
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