Der Aufstieg der AfD und des Faschismus: Einschätzung und Gegenstrategie

Mit der Zerschlagung des Dritten Reiches schien es so, als sei dem Faschismus endgültig der Garaus gemacht. Nicht nur das faschistische Deutschland, sondern das Deutsche Reich als Nationalstaat war zerschlagen, der deutsche Imperialismus scheinbar tot, die deutschen Faschist:innen durch die weltweite Bekanntmachung des Holocausts moralisch diskreditiert. In den letzten Jahren wird wieder vermehrt vor der Gefahr des Faschismus gewarnt. Es zeigt sich, dass der Faschismus nie besiegt war und jetzt seinen zweiten Frühling erfährt. In den Vereinigten Staaten erleben wir seit beinahe einem Jahrzehnt die Popularität Donald Trumps. In Frankreich wird das Rassemblement National zur stärksten Kraft bei der Europawahl. Und in Deutschland haben wir den rasanten Aufstieg der AfD verfolgt, einer faschistischen Partei, die sich scheinbar unaufhaltsam von Spaltung zu Spaltung, von Skandal zu Skandal während ihres Rechtsmarschs, in die Herzen von Teilen der deutschen Wählerschaft bohrt.

Nun stehen im September Landtagswahlen in gleich drei ostdeutschen Hochburgen der AfD an. In allen drei Bundesländern – Sachsen, Thüringen und Brandenburg – steht die Partei bei den Umfragewerten zwischen 25 und 30 Prozent. Ein Teil der etablierten Parteien schrumpft derweil zu Kleinparteien zusammen und fliegt teilweise absehbar aus den Landtagen heraus.

Einzig die CDU/CSU behält ihre starke Stellung. Zum Teil, weil sie selbst immer mehr auf die Positionen der AfD übergeht, zum Teil, weil sie als Oppositionspartei von der unmittelbaren Verantwortung für die aktuelle Krise Deutschlands ausgeschlossen bleibt. Der Marsch in die Reaktion, den wir bei CDU/CSU sehen, setzt sich aber nicht weniger auch in den übrigen etablierten Parteien fort. Offene Feindschaft gegenüber flüchtenden Menschen gehört parteiübergreifend bereits ebenso zum guten Ton bürgerlicher Politik wie der Ruf nach mehr Aufrüstung, mehr Militarisierung, mehr Grenzschutz und mehr Überwachung.

Zugleich warnen uns eben jene Parteien, die derart offenkundig selbst nach rechts marschieren, vor den Gefahren des Faschismus in Gestalt der AfD. Wir sollen bei den kommenden Landtagswahlen, und absehbar auch bei den Bundestagswahlen im nächsten Jahr, unbedingt wieder für die etablierten Parteien stimmen, um dem Vormarsch der AfD und damit dem Faschismus Einhalt zu gebieten.

All das fordert uns auf, als klassenkämpferische Kräfte Antworten auf einige brennende Fragen zu finden:

  1. Was ist der Faschismus und woher kommt sein aktueller Aufstieg?
  2. Kommt jetzt die faschistische Diktatur in Deutschland?
  3. Wie ist der staatstragende, bürgerliche Antifaschismus einzuschätzen?
  4. Was können antifaschistische Kräfte unternehmen, um dem Aufstieg des Faschismus etwas entgegenzusetzen? Und wie kann unsere langfristige antifaschistische Strategie aussehen?

Dieser Text soll ein Beitrag zur Debatte um ebendiese Fragen sein.

Was ist der Faschismus und woher kommt sein Aufstieg?

Um den Faschismus bekämpfen zu können, müssen wir ihn zuerst verstehen. Oftmals herrscht in der antifaschistischen Bewegung ein oberflächliches Verständnis des Faschismus vor: Er ist irgendwie „schlecht“ und wird moralisch verurteilt – was natürlich richtig ist, aber lange nicht ausreicht. Auch wenn immer wieder in Aufrufen oder Reden ein Zusammenhang zum Kapitalismus genannt wird, mangelt es vielfach an einer aktuellen Faschismustheorie. Darauf einzugehen ist deshalb für aktuelle Texte zum Faschismus unumgänglich, da wir neben konkreter Analyse auch Grundlagenarbeit leisten müssen, um uns dem Verständnis unserer heutigen Realität anzunähern.1

Der Faschismus ist nichts Unerklärliches. Er geht zum einen als gesellschaftliche Erscheinung aus den tiefen, regelmäßig wiederkehrenden Krisen der kapitalistischen Gesellschaft hervor und wird zugleich durch bestimmte gesellschaftliche Kräfte bewusst gestützt und entwickelt.

Im Folgenden wollen wir uns beide Facetten – die objektiven Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus und den subjektiven Eingriff reaktionärer Kräfte – ansehen. Dabei ist es notwendig, sie einerseits methodisch getrennt voneinander zu betrachten und einzeln zu begreifen und zugleich im Zusammenhang zu verstehen. Nur so gelingt es, in der Faschismusanalyse nicht in Einseitigkeiten zu verfallen.

Die Krise seit 2008 und der Faschismus

Beginnen wir damit, uns mit der Frage zu beschäftigen, warum der Faschismus eigentlich immer wieder dann auf die historische Bühne tritt, wenn es zu tiefen Krisen des Kapitalismus kommt.

Gemeint sind Krisen von solcher Tiefe und solchem Umfang, dass sie die Gesamtheit der jeweiligen Gesellschaft erfassen – von der Ökonomie, über die Politik bis zur Kultur – und zu einer Zerrüttung der Klassenstruktur führen. Eine solche Situation gab es bereits in der Phase nach dem I. Weltkrieg, welche zum Aufstieg des italienischen Faschismus ab 1920 führte und von der Weltwirtschaftskrise 1929 vertieft wurde, welche zum Vorabend des Sieges des Hitlerfaschismus 1933 wurde. Historisch können wir die Zeit vom Ersten bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges als einen großen systemischen Krisenprozess des Kapitalismus begreifen.

Nach 1945 begann eine Phase, in der nach der riesigen Kapitalvernichtung im Zweiten Weltkrieg der westliche Kapitalismus (trotz wiederkehrender zyklischer Krisen) ein „goldenes Zeitalter“ in den imperialistischen Zentren, insbesondere den USA und Westeuropa, erleben konnte. Mit dem Ende der Sowjetunion wurde die US-Hegemonie allumfassend.

Seit 2008 erleben wir jedoch erneut eine tiefe Krise des Kapitalismus, in deren Folge es zu einer verstärkten Rechtsentwicklung international, aber auch der gesamten politischen Landschaft Deutschlands gekommen ist. Auch der Ausbruch und das Anhalten von größeren Kriegen und Krisen und ihre gegenseitige Rückwirkung ist stark gehäuft zu verzeichnen: Syrien-Krieg (ab 2012), „Flüchtlingskrise“ (ab 2014), Trumps Wahlsieg (2017), Brexit (2020), Corona-Krise (2020), Ukraine-Krieg (ab 2022), Preisexplosionen (2022/23); All diese Ereignisse und mehr fallen in die Zeit seit der 2008er Krise – und ihr Eintreten beschleunigt sich.

Wie hängen nun die Krisen mit dem Faschismus zusammen? Der Kern zum Verständnis liegt in der Zerrüttung der Klassenstruktur (A), der Zunahme des Klassenkampfs (B) und der Zuspitzung der zwischenimperialistischen Widersprüche (C).

Um diesen Zusammenhang zu verstehen, ist ein kurzer Ausflug in die Krisentheorie notwendig: Wirtschaftliche Krisen werden im Kapitalismus regelmäßig durch die Überproduktion ausgelöst: Denn die Produzent:innen und Eigentümer:innen der Produktionsmittel sind nicht identisch, sondern es handelt sich um verschiedene Klassen. Die Arbeiter:innenklasse produziert und die Bourgeoisie eignet sich die Produkte an, da sie die Produktionsmittel besitzt. Und weil die Bourgeoisie untereinander im Konkurrenzkampf steht, übersteigt die Produktion immer wieder die Marktkapazität, also das, was tatsächlich gekauft werden kann. Jeder produziert miteinander um die Wette, muss ständig seine Produktivkräfte weiterentwickeln, mehr produzieren, noch mehr Marktanteile erobern. Doch dann wird die Überproduktion offenbar: Es kommt zum Wirtschaftseinbruch, Waren finden keinen Absatz, kleinere Unternehmen gehen bankrott, Arbeiter:innen erhalten geringere Löhne, werden in schlechtere Arbeitsverhältnisse überführt oder gleich entlassen. Monopole, die über Unmengen akkumulierten Kapitals verfügen, können die Krise dabei nicht nur überstehen, sondern sogar gestärkt aus ihr hervorgehen, indem sie die untergehenden kleineren Konkurrenten aufkaufen, und so noch mehr Produktionsmittel und Produktivkräfte auf sich konzentrieren.

Wenn wir von einer gesellschaftlichen Krise als notwendiger Voraussetzung für den weltweiten Aufstieg des Faschismus sprechen, dann meinen wir Krisen, die die Gesamtheit des Kapitalismus erfassen: von der ökonomischen Grundlage, über den politischen, kulturellen und staatlichen Überbau insgesamt. Das passiert dann, wenn sich eine bestimmte, historisch relativ stabile Art der Kapitalakkumulation, die an eine bestimmte Kerninnovation (etwa das Auto in der Ära des Fordismus) gebunden ist, erschöpft hat. Die Profitraten fallen dann in dieser Kernindustrie, Kapital wird entzogen und verlagert. Durch die zentrale Stellung der Industrie in der Akkumulationsweise insgesamt gerät das gesamte System in eine tiefe Krise, eine gesellschaftliche Krise. Wir haben das am Ende der 1960er Jahre gesehen, als die Goldene Ära (Nachkriegszeit mit annähernder Vollbeschäftigung, hohen Profit- und Wachstumsraten) mit der Automobilindustrie als Kern in die Krise geriet und eine historische Epoche von Kriegen, Krisen und revolutionärem Aufschwung einleitete. Und wir sehen es heute, in der sich vertiefenden Krise seit der Weltwirtschaftskrise von 2008/2009, die in politischen und ökonomischen Krisenmomenten zutage tritt (etwa durch den Brexit, das Erstarken des weltweiten Faschismus, die Wirtschaftskrisen von 2019 und 2020, aber auch durch die Wiederbelebung der revolutionären Arbeiter:innenbewegung in den Kernländern des Imperialismus seit dem Krisenausbruch 2008).

(A) Die Zerrüttung der Klassenstruktur

Diese ökonomischen Gesetzmäßigkeiten führen zur Zerrüttung der Klassenstruktur: Das Kapital konzentriert sich in der Krise auf beschleunigte Weise. Zugleich fallen vor allem das Kleinbürger:innentum und die Arbeiter:innenaristokratie tendenziell in die Arbeiter:innenklasse bzw. deren tiefere Schichten hinab. Um diesen Fall aufzuhalten, ihre Klassenlage zu halten, beginnen sich diese Klassen bzw. Schichten politisch zu organisieren. Dies geschieht zum einen gegen die Arbeiter:innenklasse, von der sie kein Teil werden wollen. Und zum anderen auch gegen Teile des Monopolkapitals, durch das sie entweder tatsächlich immer wieder verdrängt werden, oder sich bedroht fühlen.

Hier findet sich nun die Massenbasis des Faschismus: Das klassische Kleinbürger:innentum (Handwerker:innen, Bäuer:innen, kleine Selbstständige, Beamt:innen usw.), das modernes Kleinbürger:innentum (Professor:innen, Jurist:innen, hochbezahlte Angestellte und kleinere Manager:innen…) und die Arbeiter:innenaristokratie. Sie werden zu dieser Basis, da sie kein unmittelbares Interesse an der Überwindung des imperialistischen Kapitalismus haben. Sie versuchen vielmehr, ihre bisherige Stellung in dieser Gesellschaftsform, im Moment ihrer Erschütterung, zunehmend radikaler zu verteidigen. Der Kampf dieser Massenbasis ist, auf sich selbst gestellt, hoffnungslos. Weder kann sie sich gegen die quantitativ viel größere Arbeiter:innenklasse durchsetzen. Noch kann das Kleinbürger:innentum sich einfach so gegen das viel mächtigere Monopolkapital und dessen Staat durchsetzen. Aus der Hoffnungslosigkeit dieser Lage folgt die Verbissenheit und Militanz ihres Kampfes. So sehen wir heute, wie sich die Parteibasis der AfD vor allem aus eben jenen Schichten rekrutiert, bereichert durch auffällig viele Angestellte aus Militär und Polizei.

(B) Die Zunahme von Klassenkämpfen

Die umfassende Krise, die den Faschismus als Massenbewegung produziert, führt in der Erschütterung der Klassenstruktur (also der Fall des Kleinbürger:innentums und der Arbeiter:innenaristokratie in die eigentliche Arbeiter:innenklasse) auch zu verschärften Klassenkämpfen. Solche waren international sowohl nach 1929 zu erkennen und sind international auch seit der Krise von 2008 verstärkt anzutreffen.

Diese Kämpfe drohen die Reproduktion der Produktionsweise als Ganze zu gefährden. Der Produktionsprozess wird durch sich zuspitzende Klassenkämpfe oder sogar den Bürgerkrieg zwischen den Klassen gehemmt. Dadurch gelingt die Akkumulation des Kapitals schlechter, bzw. kommt das System potentiell noch langsamer aus der Krise heraus. Dies wird zudem besonders riskant, wenn es sich um eine Krise des Kapitalismus als Weltsystem handelt. Dann spitzen sich auch die Kämpfe zwischen den verschiedenen imperialistischen Mächten zu.

(C) Die Zuspitzung zwischenimperialistischer Widersprüche

Doch in der tiefen Krise kommt es nicht nur zur Zerrüttung der Klassenstruktur und Zunahme der Klassenkämpfe im „Inneren“. Auch international nehmen die Widersprüche zu, verschieben sich die Kräfteverhältnisse zwischen den verschiedenen imperialistischen Mächten. Dies geschah im Zuge der Weltwirtschaftskrise 1929, als die deutsche Bourgeoisie zum Schluss kam, dass sie sich von einer Allianz mit den USA wegbewegen müsse und sich mehr auf ihre eigenen Kräfte zur Schaffung eines mitteleuropäischen Wirtschaftsraums und „Lebensraum im Osten“ stützen müsse – wofür dann die NSDAP bereitstand.

Und auch heute sehen wir eine internationale Zuspitzung, in der der Aufstieg des imperialistischen China und die Ansprüche Russlands die westliche Hegemonie herausfordern und die Weltkriegsgefahr steigt. Wo auch regionale Akteure immer stärker ihre eigenständigen Interessen durchsetzen wollen.

Der Faschismus als Option der Monopolbourgeoisie

Um mit der Zerrüttung der Klassenwidersprüche im Inneren, den zunehmenden Klassenkämpfen sowie der Zuspitzung nach außen einen Umgang zu finden, tritt auch für das Monopolkapital als Ganzes die Option des Faschismus als Form zur Absicherung ihrer Herrschaft mehr in den Vordergrund. Vorwärtstreibend sind dabei besonders ein Netzwerk aus aggressiven Teilen der Monopolbourgeoisie sowie die Kader:innen der faschistischen Bewegung innerhalb und außerhalb des Staatsapparats, die eine widersprüchliche Einheit bilden.

Wenn die Krise sich wie genannt vertieft, sind diese die reaktionäre Vorhut, sodass sich auch die Monopolbourgeoisie und der bürgerliche Staat als Ganzes in zunehmendem Maße auf repressive Mittel der Reproduktion ihrer Macht stützen (also auf Polizei, Militär, Geheimdienste, Paramilitär, juristische Verfolgung) – nach innen vor allem gegen den Kampf der Arbeiter:innenklasse und nach außen im Kampf mit den Konkurrent:innen. Darauf aufbauend kommt es zu einer Umorientierung weg von der Herrschaft in Form der bürgerlichen Demokratie, hin zur Herrschaft durch die faschistische Diktatur. Beides sind dabei Modi, die Reproduktion des Kapitalismus abzusichern, beides sind Formen der Klassendiktatur der Bourgeoisie.2 Während sich die bürgerliche Demokratie primär auf die Integration der Massen (vermittels Betrug, Ideologie, Kultur, Konsum und politischen und sozialen Zugeständnissen) versucht zu stützen, ist die faschistische Diktatur primär auf Repression aufgebaut – allerdings ist diese Repression stark konzentriert auf bestimmte gesellschaftliche Gruppen, die politisch und/oder ideologisch ausgegrenzt und unterdrückt und zudem in stärkerer Weise ausgebeutet werden. Andere Gruppen werden im Faschismus durchaus vorteilhaft behandelt, wiederum zur Absicherung der Herrschaft (beispielsweise jene, die als „arisch“ bestimmt werden).

Ist also eine so tiefe und umfassende Krisensituation erreicht, dass die Reproduktion des Kapitalismus sowohl innerhalb des Nationalstaates als auch international gefährdet ist, wird der Staatsumbau notwendig.

Wie kommt der Faschismus zur Macht?

Um nicht in ein falsches Verständnis von der Durchsetzung des Faschismus zu verfallen, nachdem einige wenige Menschen dies in einer kleinen Geheimsitzung entscheiden, ist festzuhalten: Der bürgerliche Staat ist kein so direktes Mittel kapitalistischer Herrschaft, dass er einzelnen Kapitalist:innen unmittelbar gehorcht. Er ist vielmehr eine Art ideeller Gesamtkapitalist, der die Interessen des Kapitals insgesamt vertreten muss. Zugleich ist dabei das Monopolkapital führend, welches wiederum nicht nur einheitliche Interessen verfolgt.

Die besonders reaktionären Teile der Monopolbourgeoisie, welche nur im Faschismus den Ausweg aus der Krise sehen, können den faschistischen Staatsumbau nicht einfach per Dekret anordnen, sondern sie müssen sich Vertreter:innen in den Massen und unter den Parteien suchen und schaffen. Dies ist der Grund, warum sie sich der faschistischen Massenbewegung als Integrationsmechanismus für das Kleinbürger:innentum sowie zur Herstellung einer eigenen Massenbasis bemächtigen, diese Verbindung schon frühzeitig herstellen und sich an der Entstehung und Erstarkung der Massenbasis des Faschismus beteiligen.

Historisch geschah dies in Deutschland durch ein Netzwerk aus Propagandavereinen wie dem „Alldeutscher Verband“, Instituten wie dem „Antibolschewistenfonds“, Kapitalvereinigungen wie dem „Deutschen Herrenklub“, Mittelsmännern wie Eduard Stadtler und vor allem reichlich finanziellen Mitteln aus der Monopolbourgeoisie (u.a. Thyssen, Kirdorf, Krupp, Hugenberg, Haniel, Schacht, Siemens, Vögler und Bosch).3

Während besonders reaktionäre Teile des Monopolkapitals sich bereits von Beginn an die faschistische Massenbewegung durch Mittelsmänner, Finanzierung und strategische Ausrichtung unterordnen, bemächtigt sie sich im Fall der tiefen Krise voll der Herrschaft über dieselbe und kann so in der Folge ihre Interessen im Innern der Nation gegen andere Kapitalfraktionen, ausgegrenzte Minderheiten und Arbeiter:innen ebenso durchsetzen wie gegen die intentionalen kapitalistischen Konkurrenten um Märkte, billige Arbeitskraft, Rohstoffe, Handelsrouten usw. Das bedeutet eine Eskalation des Klassenkampfes. Mit anderen Worten ist der Sieg des Faschismus kein Automatismus, sondern er kann sich nur im Kampf mit anderen nationalen und internationalen Kapitalfraktionen und vor allem im Kampf gegen die Arbeiter:innenklasse in all ihrer Diversität durchsetzen.

Faschistische Bewegung im bürgerlich-demokratischen Staat

Wir sehen: Zwischen dem bürgerlich-demokratischen Staat und dem Faschismus existiert keine chinesische Mauer.

Der deutsche imperialistische Staatsapparat wurde nach dem Zweiten Weltkrieg führend von Hitler-Faschisten wieder aufgebaut – jedoch unter der Hegemonie der US-Besatzung, welche den Konkurrenten geschwächt sehen wollte (aber nicht zu schwach, um gegen die Sowjetunion bestehen zu können). Aus diesem Grund wurde kein faschistischer Staat aufgebaut, sondern ein postfaschistischer Staat mit parlamentarischer Demokratie, in welchem die Faschisten zwar noch auf einflussreichen Posten saßen, sich jedoch der westlich-imperialistischen Hegemonie unterordnen mussten. So wie aber der deutsche Imperialismus seit 1990 erstarkt und sich die Krise von 2008 vertieft, kann die innere faschistische Tendenz – zunehmend befreit von der amerikanischen Hegemonie – gegenüber der bürgerlich-demokratischen Form erstarken.

So kommt es, dass sich besonders in den Repressionsapparaten wie Militär und Geheimdiensten (Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst, Militärischer Abschirmdienst) eine Vorhut rechter gesellschaftlicher Entwicklungen konzentriert und systematisch organisiert. Dadurch kann also noch innerhalb eines bürgerlich-demokratischen Staates der Faschismus in seinen einzelnen Apparaten wachsen und seine Massenbewegung stärken.

Wir haben das zuletzt überdeutlich im Fall des NSU und seiner offenbaren Deckung und wahrscheinlich auch Steuerung durch den Verfassungsschutz gesehen. In Hans-Georg Maaßen ist diese Nähe bestimmter Teile des Staatsapparats zur faschistischen Bewegung personifiziert.4 Maaßen gab AfD-Politiker:innen frühzeitig Informationen aus seiner Behörde, leugnete die Pogrome gegen Geflüchtete in Chemnitz 2018 und gründete erst vor Kurzem seine eigene reaktionäre Partei, die allem Anschein nach Bündnisse zwischen CDU/CSU und AfD erleichtern soll. Das ist ein prominentes Beispiel, doch wir sehen dieselbe Erscheinung, wenn wir beobachten, dass die AfD über den größten Anteil an Polizist:innen und Militärs unter allen Parteien in ihren Reihen verfügt. Bildlich gesprochen kommt es hier über den Festungsbau des bürgerlichen Staates zum Schulterschluss der Faschisten, die zugleich im Innern dieses Staates und in der faschistischen Bewegung aktiv sind und sich gegenseitig unterstützen.

Was ist also der Faschismus als Bewegung?

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass der Faschismus einerseits den grundlegenden Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus entspringt, welcher zur tiefen kapitalistischen Krise, der Zerrüttung der Klassenstruktur, dem Klassenkampf und der Zuspitzung zwischenimperialistischer Widersprüche führt. Und andererseits besonders aggressive Teile des Monopolkapitals danach streben, ihn zu einem bewussten Instrument, ihrer eigenen Ziele zu machen. Das Bewusstsein derjenigen Klassen und Schichten, die den Faschismus schon frühzeitig unterstützen und aufbauen, ist dabei selbst ein Produkt der bürgerlichen Gesellschaft und ohne diese undenkbar. Der Faschismus als Bewegung ist dabei jedoch weder eine reine Marionette in den Händen des Großkapitals noch eine rein rebellische Bewegung des Kleinbürger:innentums. Seine politische Wirkung und Funktionsweise lässt sich nicht allein durch ökonomische Faktoren erklären. Er ist vielmehr nur durch das Wechselspiel zwischen den ökonomischen und politischen Interessen der imperialistischen Bourgeoisie und den ökonomischen, politischen, aber auch psychologischen Triebkräften zu begreifen, die innerhalb seiner (überwiegend kleinbürgerlichen) Massenbasis wirken.5

Dabei bestehen Gegensätze, Interessenkonflikte und innere Dynamiken, die in zweifacher Hinsicht wichtig sind. Zum einen wird so klar, warum es durchaus zu Spannungen und sogar Kämpfen zwischen Monopolkapital und Kleinbürger:innen oder zwischen Arbeiteraristokrat:innen und Kleinbürger:innen usw. kommen kann. Wie beispielsweise einige Mitglieder einer größtenteils kleinbürgerlichen Partei wie der NSDAP selbst zu Bourgeois werden und sogar ins Monopolkapital aufsteigen konnten (hier bilden die Enteignung der Jüd:innen, die enorme Korruption der Nazis und der zeitweilig erfolgreiche Vernichtungs- und Raubzug durch Osteuropa die materielle Grundlage). Zum anderen weist uns das darauf hin, dass wir uns diese Gegensätze im antifaschistischen Kampf nach Möglichkeit zunutze machen müssen – es gilt, die Gegensätze zu Widersprüchen zuzuspitzen und das faschistische Bündnis zu destabilisieren. Das ist ein Teil der klassenkämpferischen antifaschistischen Strategie.

Insgesamt sehen wir, dass es eine komplexe Dialektik subjektiver und objektiver Aspekte bei der Analyse des Faschismus zu beachten gibt. Er entspringt einerseits den objektiven Krisenmomenten des Kapitalismus. Damit ist der Faschismus innerhalb der Schranken der Ordnung des Kapitals unaufhebbar und wird in dieser immer wiederkehren. Zudem werden faschistische Entwicklungen auch bewusst und systematisch von privaten (einzelnen Monopolkapitalist:innen oder Intellektuellen) und staatlichen Institutionen (beispielsweise aus den Repressionsapparaten heraus) aufgebaut, gefördert und unterstützt. Diese subjektiven Akteur:innen handeln wiederum aus objektiv begründeten Motiven: weil sie ihr Klasseninteresse verteidigen – entweder in einem unmittelbaren Sinne (Verteidigung des Interesses einer Kapitalfraktion) oder in einem allgemeinen Sinne (Reproduktion des Systems als Ganzes). Wir kommen bei einer konkreten Analyse immer wieder zurück auf die Wurzeln des Kapitalismus.

Kommt jetzt der Faschismus?

Wir haben gesehen, dass der Faschismus in imperialistischen Ländern an ganz bestimmte Prozesse und Bedingungen der bürgerlichen Gesellschaft gebunden ist. Dasselbe gilt nicht weniger für seinen Sieg. Erst wenn die Krise der bürgerlichen Gesellschaft derart tief ist, dass der Kapitalismus nicht mehr verlässlich durch den bürgerlich-demokratischen Staat abgesichert werden kann, bleibt den Kapitalist:innen nichts mehr übrig, als zur faschistischen Diktatur zu wechseln, um ihre Gesellschaftsordnung zu erhalten. Es bedarf also sehr starker Klassenkämpfe, bis hin zum Bürgerkrieg, einer tiefen politischen Desillusionierung der Massen, d.h. einer Krise der Hegemonie der bürgerlichen Ideologie, einer fundamentalen Erschütterung des imperialistischen Gefüges und damit einhergehend starker zwischenimperialistischer Konflikte, bis hin zu Kriegen im Kampf um die Hegemonie über das kapitalistische Weltsystem.

Auf Basis der Ausführungen zur Faschismustheorie und der getätigten Analyse können wir damit zur Frage vordringen: Kommt jetzt der Faschismus?

Zuspitzung International

Wir können verschiedene Ansätze der Bedingungen für den Machtantritt des Faschismus bereits heute sehen. Die grundlegende Erschütterung des imperialistischen Systems ist durch den Angriff Russlands auf die Ukraine 2022 deutlich geworden. Wäre die Hegemonie der USA nicht schon seit Jahrzehnten im Verfall begriffen, wäre dieser Angriff nicht vorstellbar gewesen. Nun fand er statt und bedeutet nichts weniger als die offene Herausforderung des amerikanischen Bündnisblocks. In diesem Kontext steht auch der Aufstieg des chinesischen Konkurrenten und den damit verbundenen weiteren Rückfall Russlands im internationalen Machtkampf um die Hegemonie über das imperialistische Weltsystem.6 Nicht genug, dass regionale Herausforderer wie der Iran erstarken, hat sich auch dieser große Konkurrent herausgebildet. Wenn in der bürgerlichen Propaganda von „Systemkonflikt“ die Rede ist, ist damit also nicht der Konflikt zwischen Sozialismus und Kapitalismus, sondern der zwischen zwei imperialistischen hegemonialen Mächten (den USA und potentiell China) gemeint.

Auch die Klimakrise, die der Kapitalismus durch seine unendliche Überproduktion erzeugt, bedeutet in der Entwicklung des Faschismus einen neuen Aspekt, den es vor einem Jahrhundert in dieser Qualität noch nicht gab. Diese Krise führt nicht nur zu heißerem Klima, sondern auch zu immer mehr und immer extremeren Wetterereignissen, die unerwartet zu gewaltigen gesellschaftlichen Katastrophen mit bedeutenden politischen Folgen führen können. Die zunehmende Militarisierung der europäischen Außengrenzen ist auch durch die Klimaerwärmung begründet, denn es kommt bereits heute zur Vertreibung von Millionen Menschen, die in erträgliche Klimazone flüchten. Die EU ergreift daher schon jetzt, die Eskalation dieser Migrationsbewegung klar voraussehend, die Mittel, um die flüchtenden Menschen mit weiterer Vertreibung, Internierung und Repression zu begrüßen. Diese Barbarisierung an den europäischen Außengrenzen wird extremer werden und schlägt auch auf unsere Gesellschaften zurück. Wir sehen bereits eine Verrohung des Diskurses und des Verhaltens gegenüber Geflüchteten, die nicht zuletzt aus dieser Barbarisierung resultiert. Die Härte, die man Geflüchteten gegenüber aufbringt, richtet sich in der Persönlichkeit der Menschen ein, macht sich dort heimisch und zersetzt dann auch die sozialen Verhältnisse im Land. Damit wird auch ein dem Faschismus zuträgliches gesellschaftliches Klima erzeugt, das nicht einfach auf den Einfluss einer Partei zurückgeführt werden kann.

Auch die Arbeiter:innenklasse wird international seit Jahren aktiver, Streiks nehmen zu, Arbeitskämpfe werden wieder aufgenommen. Auch in Deutschland zeigt sich dies: In den letzten zwölf Monaten kam es zu Bäuer:innenprotesten, Streikwellen der Lokführer:innen, massenhaften Anti-AfD-Protesten und der Pro-Palästina-Bewegung. Den etablierten bürgerlichen Medien schenken wachsende Teile der Bevölkerung schon länger keinen Glauben mehr – wenngleich das gegenwärtig noch allzu oft aufgrund der Schwäche der organisierten Arbeiter:innenbewegung in ein Abgleiten in verschwörungstheoretisches Denken führt.

Und dennoch sind alle diese Tendenzen noch nicht so weit fortgeschritten, dass wir von einer grundlegenden Erschütterung der bürgerlich-demokratischen Hegemonie sprechen können, die keine Option als den Faschismus überlassen würde. Wir befinden uns in einem Prozess, der zum Sieg des Faschismus in einigen Ländern führen kann. Das zeigen die Erfolge von Politiker:innen wie Donald Trump (USA), Georgia Meloni (Italien), Jair Bolsonaro (Brasilien) und Narendra Modi (Indien) im Ausland. Aber wir sehen auch, dass es noch keinem dieser Politiker und ihren Parteien gelungen ist, den jeweiligen Staat zur faschistischen Diktatur umzubauen (sofern das überhaupt ein Ziel war). Sie alle stoßen an die Grenzen der überwiegenden Interessen ihres jeweiligen Monopolkapitals – noch.

Kommt der Faschismus in Deutschland?

Die Entwicklung der AfD

Mit dem Aufstieg der AfD wurde diese Frage vielfach wieder auf die Tagesordnung gesetzt. TikTok-Channels, die eigentlich unpolitische Inhalte posten, stellen auf einmal die Frage, ob man aus Deutschland auswandern müsse. Linke rufen dazu auf, jetzt bürgerliche Parteien zu wählen, um die AfD zu verhindern – und damit für die Monopolparteien zu stimmen, welche unsere tägliche Ausbeutung und Unterdrückung organisieren. Schauen wir uns also zuerst die AfD genauer an, um uns dieser Frage zu nähern.

Mit der Entstehung und Entwicklung der „Alternative für Deutschland“ ist den reaktionärsten Teilen des deutschen Bürgertums endlich gelungen, was sie im Grunde seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges immer wieder versucht haben: die Etablierung eines gefestigten parlamentarischen Arms des Faschismus im Bundestag für den Fall einer tieferen Krise.

Die Kapitalist:innen haben unter dem Hitler-Faschismus ihren Reichtum massiv ausbauen können und setzten diesen nach Ende des Zweiten Weltkriegs und der Wiedereroberung ihrer alten Positionen nahtlos wieder bei der Modernisierung der faschistischen Ideologie ein („Siemens-Stiftung“, Daimler-finanziertes „Studienzentrum Weikersheim“ u.a.). Auch im Staatsapparat arbeiteten diejenigen Faschisten, welche vom Geheimdienst über das Militär den deutschen Repressionsapparat schufen, an der Kontinuität der faschistischen Bewegung. Als wahltechnisch erfolgreichste Partei rechts der CDU/CSU seit 1953 setzten die Linie der „Neuen Rechten“ dann die „Republikaner“ (REP) in den 1990ern um, in welchem sich rechte Personennetzwerke aus Kapital und Staatsapparat zusammenfanden. Der Milliardär August von Finck junior etwa spielte nicht nur bei dieser Partei, sondern auch darauf folgenden Projekten von rechtsaußen eine bedeutende Rolle. 2013 wurde aus diesem Komplex die AfD gegründet. Die gesellschaftliche Voraussetzung, dass aber endlich der Aufbau einer dauerhaften faschistischen Massenpartei gelingen konnte, war zuvor das Heranreifen der tiefen Krise von 2008.

Die Schattenfinanzierung der AfD wurde über den langjährigen REP-Vorsitzenden organisiert. Eine führende AfD-Funktionärin bezeichnete einmal die Hälfte der Bundestagsfraktion als „Mutanten-Armee“ von Tom R. – desjenigen faschistischen Netzwerkers, der von Finck mit dem Aufbau der Partei betraut worden war.7 Neben der Unterstützung durch einen schweizerischen Immobilienmogul ist auch die AfD-Unterstützung durch den Milliardär Theo Müller heute bekannt. Entsprungen aus dem Geflecht von besonders reaktionären Teilen des Monopolkapitals, des Staatsapparats, faschistischen Ideologen und Netzwerken konnte die AfD also zu ihrer heutigen Stärke aufsteigen.

Wichtig ist bei alldem zu beachten: Die AfD steht nicht für sich alleine. Sie ist nur der parlamentarische Arm der faschistischen Bewegung, die viel breiter aufgestellt ist, über Thinktanks, Medien, Schlägertrupps bis hin zu Untergrundgruppen außerhalb und innerhalb des Staatsapparats verfügt. Dies wird verbunden durch faschistische Netzwerker:innen, welche versuchen eine Gesamtstrategie umzusetzen. Die faschistische Bewegung ist ein zusammenhängendes Ganzes, aber kein monolithischer Block. Die Kämpfe innerhalb ihrer Reihen (wie zuletzt um den Faschisten Maximilian Krah) sind echt, ebenso wie Widersprüche im Monopolkapital, wie man mit der AfD umgehen soll. Gerade Letzteres ist aber, wie herausgearbeitet, ein entscheidender Faktor für den Machtantritt des Faschismus in Deutschland.

Wenn wir also die AfD als faschistisch bestimmen, ist das ein Urteil, das sich durch die Entwicklung der Partei bestätigt. Die Uneinheitlichkeit der Partei, Widersprüche und Flügelkämpfe sind zugleich der Motor ihres zunehmenden Rechtsmarsches. Jeder interne Parteikampf wird zugunsten eines weiteren Vordringens des faschistischen Zentrums entschieden. Der Begriff des Zentrums ist gerade durch dessen ungebrochene Erfolge gerechtfertigt. Es handelt sich dabei um die besser organisierte, besser taktierende, mit der besseren und der Krisenentwicklung angepassteren Strategie arbeitende Parteifraktion. Dennoch sind die Widersprüche, durch die sich die Partei nach rechts bewegt, auch für uns nicht irrelevant, denn sie zeigen Bruchlinien und potentielle Eingriffsmöglichkeiten einer revolutionären Politik auf.

Die aktuellen Interessen des deutschen Monopolkapitals

Wir haben gesehen: Die AfD hat eine Reihe an Unterstützer:innen, aber die Monopolbourgeoisie ist dabei selbst keine einheitliche Klassenschicht, sondern sie zerfällt in verschieden ausgerichtete Interessensphären.

So hat in Deutschland ein Großteil des Industriekapitals (etwa rund um die einflussreiche Automobilindustrie) aktuell ein Interesse daran, das deutsche „exportorientierte“ Wirtschaftsmodell noch möglichst lange beizubehalten, welches auf „freiem Handel“ und guten Beziehungen zu den verschiedensten imperialistischen Mächten (und auch zwischen diesen) beruht. Dabei kann sich die deutsche Industrie auf den „freien Handel“ verlassen, weil die eigene überlegene Produktivkraft die Konkurrenten (noch) in Grund und Boden produziert – und wer sich dagegen durch staatliche Förderung oder protektionistische Mittel verteidigt, verstößt gegen diesen „freien Handel“ und wird aktiv angegangen.8 Für das deutsche Kapital sind die zunehmenden internationalen Spannungen zwischen den verschiedenen imperialistischen Mächten schlecht fürs Geschäft, weshalb der deutsche Imperialismus allerorts als „Friedensstifter“ und Diplomat auftritt.

Kurzfristig scheint es dabei so zu sein, dass führende Teile des Monopolkapitals zudem darauf setzen, Deutschland zusätzlich als attraktiven Standort für dringend benötigte internationale Arbeitskräfte nicht durch eine allzu reaktionäre Stimmung (etwa durch Faschist:innen in der Regierung) zu zerstören. Die deutsche Wirtschaft ist sehr stark auf den Export komplexerer Industriewaren wie Technik, Autos und auch Erzeugnisse der Chemie-Industrie ausgelegt, so dass eine Schwächung der eigenen Produktivität durch fehlende internationale Arbeitskräfte im Verbund mit etwaigen Reputationsschäden in fallende Warenabsätze umschlagen kann, weil man die notwendigen Arbeitskräfte nicht mehr halten oder anwerben kann. Dies zeigt sich daran, dass beispielsweise Kritik an der AfD auch aus den Reihen des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) kommt.9

Zugleich gibt es bereits heute größere Widersprüche bei der außenpolitischen Orientierung im Monopolkapital: Zwischen denjenigen Kapitalfraktionen, welche davon ausgehen, deutsche Kapitalinteressen besser mit einem transatlantischen Bündnis vertreten zu können, und denjenigen, welche stärker ein Bündnis mit Russland anstreben. Für Letztere bietet sich die AfD eindeutig als Interessensvertretung an, wie auch zuletzt die Auseinandersetzung mit anderen Rechtsparteien in Europa zeigte (etwa dem RN und der Meloni-Partei, welche sich an die USA anlehnen wollen).10

Auch wenn es für diese außenpolitische Orientierung noch keine faschistische Diktatur benötigt, müssen wir dennoch im Auge behalten, dass es auch zu unvorhergesehenen Entwicklungen kommen kann, die den Faschismus sehr schnell notwendig machen können. Dazu gehört vor allem der Ausbruch des Krieges zwischen den USA und China (sei das in der direkten Konfrontation oder, wahrscheinlicher, zunächst über einen Stellvertreter-Schauplatz bei Taiwan), der derart tiefe Verwerfungen im imperialistischen Weltsystem nach sich ziehen würde, dass von einer stabilen Reproduktion bürgerlicher Herrschaft nicht mehr ausgegangen werden kann.

In der Situation einer Krise des Kapitalismus als Weltsystem kann dann der äußere Markt wegbrechen. In dem Fall wäre ein Rückgriff auf repressivere Mittel für das gesamte Monopolkapital attraktiv. Zudem könnte mit einer „beschäftigten“ Großmacht USA der Weg für eine Aufteilung Europas unter Deutschland und Russland wieder offener werden. Dann holt sich das Monopolkapital das, was es auf dem Wege primär ökonomisch-politischer Gewalt nicht mehr haben kann, eben mit militärischer Gewalt. Doch so weit ist es noch nicht. Solange es bis dahin nicht zu einer erheblich viel tieferen Erschütterung der deutschen Gesellschaft kommt, ist die Umstellung auf eine faschistische Diktatur noch keine Option für die Monopolbourgeoisie als Ganzes.

Was passiert nach einem Wahlsieg der AfD?

Nach aktuellen Hochrechnungen ist davon auszugehen, dass die AfD bei den verschiedenen Landtagswahlen in Ostdeutschland zur stärksten oder zweitstärksten Kraft werden könnte. Es bleibt abzuwarten, wie die bürgerlichen Parteien versuchen werden, damit um zugehen – etwa mit einer Allparteien-Koalition gegen die AfD. Bürgerliche Politikberatung verbietet sich dabei für uns als Antifaschist:innen. In dieser Situation kann es keine „guten Lösungen“ geben, die wir uns ausdenken könnten, denn jedes „kleinere Übel“ würde nur dieses System und unsere Ausbeutung innerhalb desselben festigen und manifestieren.

Für die nun anstehenden Wahlen ist derweil eine Koalition mit der AfD noch unwahrscheinlich, auch wenn einige CDU-Ostverbände versuchen, ihre „Brandmauer“ einzureißen. Wahrscheinlicher ist, dass die ersten Regierungen mit der AfD noch bis ins Jahr 2025 (oder später) auf sich warten lassen und die rechten Kräfte in den diversen Parteien mehr Vorarbeit für eine Zusammenarbeit leisten müssen.

Im Falle einer Regierungsbeteiligung würde die Partei sicherlich die Chance nutzen, um die Aushöhlung der bürgerlichen Demokratie voranzutreiben, die Arbeiter:innenklasse weiter anzugreifen, die rassistische Hetze zu vertiefen und politisch in noch mehr Gesetze umzusetzen – aber all das wäre noch auf der Linie, die die anderen bürgerlichen Parteien ohnehin bereits verfolgen. Damit könnte sie sogar für große Teile des Monopolkapitals akzeptabel sein, insbesondere für denjenigen Teil, welcher langfristig eine Wiederannäherung an Russland anstrebt. Nur weil eine faschistische Kraft an der Regierung beteiligt ist, heißt es eben nicht, dass auch sofort eine faschistische Diktatur errichtet wird.

In dem Moment aber, wo die Partei tatsächlich zu radikal wird, und eine faschistische Diktatur anstrebt, werden die anderen Kapitalfraktionen und ihre politischen Vertreter:innen eingreifen, sollte ihrer Meinung nach die Zeit dafür noch nicht „reif“ sein.

Wichtig für uns als antifaschistische Kräfte ist so oder so, im Falle einer Regierungsbeteiligung, die Demagogie der AfD zu entlarven. Gerade ihr streng neoliberales Programm hat das Potenzial, zu einer Diskreditierung bei Teilen ihrer kleinbürgerlichen und auch proletarischen Basis zu führen.

Aber selbst dann, wenn die AfD vor ihrer Basis diskreditiert wäre, wäre die Entwicklung des Faschismus nicht automatisch gestoppt. Vielmehr würden die organisatorischen, ökonomischen, institutionellen und ideologischen Mittel, die durch den AfD-Aufstieg schon heute an die breitere und tiefere faschistische Bewegung übertragen werden, zusammen mit der Vertiefung der Krise die faschistische Bewegung zu neuen Schritten drängen. Es könnte sich dann sehr schnell, schneller noch als der ohnehin rasante Aufsteige der AfD selbst, eine noch radikalere, noch effektivere faschistische Partei herausbilden. Denkbar ist auch die Umwandlung einer der bereits etablierten Parteien zur neuen parlamentarischen Vorhut des Faschismus. Auch jenseits dieser Möglichkeit müssen wir aufmerksam bleiben, denn der Faschismus, wie er sich nun auch entwickelt, wird unter den neuen gesellschaftlichen Verhältnissen auch neue Formen annehmen.

Welche Formwechsel die faschistischen Kräfte auch durchführen werden – und es wird sicher noch einige geben11 – wir müssen eine grundsätzliche strategische Antwort auf den Aufstieg des Faschismus entwickeln. Dafür wollen wir uns zuerst damit beschäftigen, warum wir denken, dass die bürgerlichen Antworten nicht zum Erfolg führen können.

Wie ist der staatstragende, bürgerliche Antifaschismus einzuschätzen?

Der Faschismus ist also eine gesamtgesellschaftliche Erscheinung, die sich weder als bloßer politischer Wille einer Partei oder Gruppe äußert, noch an einer bestimmten Partei allein festgemacht werden kann. Er ist Folge der tieferen Widerspruchslogik des Kapitalismus. Man kann daher kein:e konsequente:r Antifaschist:in sein, ohne zugleich Antikapitalist:in zu sein.

Aber genau diese Inkonsequenz sehen wir, wenn wir uns die gegenwärtige Propaganda der bürgerlichen Parteien von CDU/CSU, SPD und Grünen bis zum BSW ansehen. Sie alle warnen uns vor der Partei AfD, sie alle verkürzen die Gefahr auf diese bloße Oberflächenerscheinung, losgelöst von den tieferen Bewegungen der bürgerlichen Gesellschaft, die sie erzeugt. Ihr Antifaschismus ist daher ein Antifaschismus des Scheins, ein staatstragender, ein bürgerlicher Antifaschismus. Er hat letztlich demagogischen, das heißt betrügerischen Charakter. Denn er dient nicht der Bekämpfung des Faschismus an seiner Wurzel, sondern nur seiner Symptome und wird so Teil einer Wahlkampfstrategie. Er ist ein Buhlen um die Stimmen der Wähler:innenschaft.

Rechtsdrift der etablierten Parteien

Weil alle diese Parteien aber in derselben politischen Situation als bürgerliche Parteien handeln, setzt sich die Rechtsbewegung damit auch in ihnen selbst fort. Sie alle haben sich das Ziel gesetzt, die Reproduktion des Kapitalismus sicherzustellen, daher müssen sie in dieser aktuellen Krisensituation immer reaktionärer werden, immer mehr auf Repression setzen, gesellschaftliche Gruppen ausschließen und diese zum Blitzableiter für den Zorn der Massen machen. Im Buhlen um die Wählerschaft der AfD übernehmen die anderen bürgerlichen Parteien dabei selbst die Positionen ihrer in Teilen faschistischen Massenbasis. So treibt es sie mehrfach nach rechts: Durch die Krise der bürgerlichen Gesellschaft, die sie erhalten wollen, durch die eigene Hetze gegen Minderheiten, die sie zum Erhalt dieser Gesellschaftsform entfalten und durch die Integration der faschistischen Massenbasis, der sie politische Angebote machen.

Sehr anschaulich wird die Verrohung des gesamten bürgerlichen Parteienspektrums, wenn wir uns ihre Migrations- und Asylpolitik anschauen. Im Zentrum der bürgerlichen Hetze stehen vor allem Muslim:innen, die seit den Anschlägen vom 11. September 2001 verstärkt als „dem Westen“ wesensfremde und feindlich gesinnte Andere diffamiert und ausgegrenzt werden.12 Einen qualitativen Sprung nahm diese Hetze 2010 mit der Veröffentlichung des Buches „Deutschland schafft sich ab“ des damaligen SPD-Mitglieds Thilo Sarrazin.13 Er steigerte den derweil bereits hoffähigen anti-muslimischen Rassismus durch sozialdarwinistische Argumente zur klassischen Rassenlehre, verbunden mit der Forderung, diese Menschen aus dem deutschen Genpol fernzuhalten. Das im Bertelsmann-Verlag erschienene Buch wurde zu einem gewaltigen Bestseller und Sarrazin durch jede Talkshow gezerrt, wo er seine Ideologie verbreiten konnte. Damit war ideologisch nicht nur der Boden für massive rassistische Ausschreitungen während der „Flüchtlingskrise“ von 2015/16 bereitet, sondern eben auch für offen reaktionäre Gesetze wie die GEAS-Reform oder zuletzt das zynisch benannte „Rückführungsverbesserungsgesetz“. So setzt sich die Rechtsentwicklung in den bürgerlichen Parteien selbst dann fort, während sie uns in ihrem vermeintlichen Antifaschismus vor der AfD warnen, deren Forderungen sie gleichzeitig in geltendes Gesetz ummünzen. Und auch die verbal aufrechterhaltene „Brandmauer“ wird zusehens eingerissen, wenn sich das BSW, Teile der CDU/CSU und die Werteunion schon jetzt angesichts des Aufstiegs der AfD kooperationsbereit erklären.

Nein zur Politik des „kleineren Übels“!

Der Faschismus kann also nicht durch bürgerliche Demokrat:innen aufgehalten werden. Denn die Grundordnung, die sie verteidigen wollen, treibt aufgrund ihrer eigenen Gesetzmäßigkeit genau jenen Auflösungsprozess voran, der selbst die ärmliche bürgerliche Demokratie zersetzt und den Faschismus produziert.

Aus diesem Grund ist auch jede Propaganda zur Wahl des „kleineren Übels“, der sich diverse linkssozialdemokratische Kräfte anschließen, falsch. Tatsächlich bindet man so die Kräfte nur an bürgerliche Parteien, anstatt die eigene Seite aufzubauen. Auch ein Verweis auf die historische Volksfrontpolitik der Kommunistischen Internationale ab 193614, bei der Kommunist:innen den Schulterschluss mit bürgerlichen Parteien suchten, ist hier nicht anwendbar – unter anderem eben weil derzeit noch kein Machtantritt des Faschismus ansteht.

Die bürgerliche Wahltaktik des „kleineren Übels“ soll uns dazu bringen, uns mit solchen Parteien zu identifizieren, die bereits heute das Wahlprogramm der AfD in die Tat umsetzen. Unter diese bürgerlichen Vereinnahmungsversuche sind auch die verzweifelten Selbsterhaltungsreflexe der Linkspartei zu zählen, wenn sie versucht, sich von „links“ zu erneuern, oder jetzt – ungeachtet des Mangels einer gesellschaftlichen Grundlage oder einer fortschrittlichen Bewegung – trotzkistische Kräfte versuchen, eine neue linke „Wahlfront“ zu errichten.15 Auch Forderungen wie das Verbot der AfD oder der „Grundrechtsentzug“ für Höcke gehen am Problem vorbei, indem sie bloße Symptome bekämpfen – und dies zumal mit Forderungen, die sich in Zukunft gegen die Revolutionär:innen richten werden oder schlicht unrealistisch sind. All das sind Ablenkungsmanöver, die uns von den eigentlich notwendigen Schritten abbringen.

Aber deswegen sind nicht alle Menschen, die der Wahlpropaganda dieser bürgerlichen Parteien folgen, schon verloren. Selbst jene, die Teil der Parteien sind, die aktiv diese Propaganda betreiben, können aufrichtig ideologisch verblendet sein und die Grenzen ihres Antifaschismus nicht begreifen. Es kommt daher für die revolutionären Kräfte, die über ein Verständnis der wirklichen Logik des Faschismus verfügen und gegen ihn vorgehen wollen, darauf an, auch diese ehrlichen Antifaschist:innen, vor allem in der Massenbasis der bürgerlichen Parteien, für uns zu gewinnen.

Freilich, es gibt einen nicht zu unterschätzenden Teil innerhalb der bürgerlichen Parteien, besonders in deren Leitungsebenen, die durchaus wissen, was sie (reaktionäres) tun. Gerade das gilt es den Massen klar zu machen, um sie für uns zu gewinnen. Gerade das Kleinbürger:innentum hat nicht nur die Tendenz zum Faschismus, es kann auch unter der Führung der proletarischen Bewegung für den klassenkämpferischen Antifaschismus gewonnen werden. Denn in seinem Abstieg in die Arbeiter:innenklasse kommt es uns entgegen. Umso stärker die Arbeiter:innenbewegung ist, umso überzeugender wird unser Angebot an das Kleinbürger:innentum sein, es auf revolutionärem Wege aus seinem Elend zu befreien. Diese Option steht nur uns als Revolutionär:innen offen.

Die bürgerlich-demokratischen Kräfte sind also unfähig, einen Antifaschismus zu entwickeln, der den Faschismus an der Wurzel packt. Zuletzt haben uns die Anti-AfD-Proteste, die aus der Offenlegung der Diskussionen und Treffen zwischen AfD-, CDU/CSU- und Werteunions-Politiker:innen gemeinsam mit Vertreter:innen des Kapitals über die Deportierung von Millionen Menschen aus Deutschland folgten, gezeigt, wie wirkungslos dieser bürgerliche Antifaschismus ist.16 Nicht einmal für die Partei AfD hatten diese Proteste größere Folgen, abgesehen von zeitweilig etwas zurückgehenden Umfragewerten. Vielmehr haben bürgerliche Bündnisse und Parteien die Proteste in ihre Zwecke eingespannt und als Wahlkampfveranstaltung genutzt, um die eigene rassistische Politik vergessen zu machen. Das ist nicht nur Unfähigkeit im Angesicht des Aufstieg des Faschismus, sondern es ist zynische Machtpolitik, die uns an die eigene Aktionsfähigkeit erinnern muss. Wir müssen uns also fragen, wie wir es selber erreichen können, wie wir führend darin sein können, die offensichtlich existierende antifaschistische Massenbasis zu aktivieren und perspektivisch zu leiten.

Wie kann ein klassenkämpferischer Antifaschismus heute aussehen?

Aus der Vergangenheit lernen

Heute besteht eine klassenkämpferische antifaschistische Bewegung erst in Keimform. Schon jetzt, wo der Faschismus sich noch in vergleichsweise gemäßigten Bahnen entwickelt, können wir ihn in seiner Entwicklung kaum hemmen. Wir müssen aber unbedingt dahin kommen, diesen Widerstand organisieren und leisten zu können.

Unser Ziel muss es sein, aus diesen Keimformen eine Bewegung zu entwickeln, die so stark ist, dass sie, im Falle des Versuchs der militanten faschistischen Machtübernahme, gesellschaftlich handlungsfähig ist und nicht sehr schnell zerschlagen werden würde. Schauen wir uns historische Beispiele an, wo es gelungen ist, nah an diesen Zustand heranzukommen.

Als der Faschismus im letzten Jahrhundert entstanden ist, fand der antifaschistische Kampf unter anderen Voraussetzungen für die Arbeiter:innenklasse statt. Sie verfügte in Deutschland bereits mit der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) über eine eigene Partei mit Massenbasis. Es gab mit der Sowjetunion ein mächtiges Stützpunktgebiet der Weltrevolution (auch wenn es hier mit der Zeit zu zahlreichen Fehlentwicklungen gekommen ist)17. Das Klassenbewusstsein war in weiten Teilen unserer Klasse, gerade im Vergleich mit der heutigen Situation, stark entwickelt. Selbst bevor die KPD eine tiefere Verankerung in der Arbeiter:innenklasse hatte, konnte unsere Klasse den faschistischen Kapp-Putsch im Jahr 1920 durch einen Generalstreik und bewaffnete Kämpfe abwürgen. Das zeigt, wie entwickelt das proletarische Klassenbewusstsein damals war.

Diese Voraussetzungen sind nicht vom Himmel gefallen, sondern waren Produkt jahrzehntelanger mühevoller revolutionärer Aufbauarbeit. Als der Faschismus dann 1933 durch das Monopolkapital an die Macht gebracht wurde, begegnete ihm der militanteste Widerstand aus der kommunistischen Bewegung, weswegen er diese auch so schnell und radikal wie möglich zerschlug.18 Doch international gelang ihm das nicht. Während die USA erst spät aktiv in den losgebrochenen Zweiten Weltkrieg eingriff, um die eigene Hegemonie gegen den deutschen imperialistischen Konkurrenten durchzusetzen, war es die Sowjetunion, die einzig einen konsequenten antifaschistischen Kampf führte und das Dritte Reich zerschlug. Das Selbe gilt für eine Reihe von Armeen aus Partisan:innen. Der Sozialismus hat über den Faschismus gesiegt, während der neue amerikanische Hegemon rasch dazu überging, den Faschismus zu internationalisieren.19 Nur durch bewussten proletarischen Klassenkampf, der notwendigerweise über die Grenzen der bürgerlichen Gesellschaft hinausstrebt, der also auf den Sozialismus orientiert, war und ist folglich ein wirklich klassenkämpferischer Antifaschismus möglich.

Antifaschistische Schritte heute

Einige Facetten einer Antifaschistischen Strategie können für heute wie folgt skizziert werden:

1. Den Sozialismus als Alternative propagieren

Was ist der Status Quo der antifaschistischen Bewegung in Deutschland? Spätestens mit der Verschärfung verschiedener Krisenmomente (Corona, Umweltkrise, Ukraine, Israel/Palästina) seit der Wirtschaftskrise 2018/2019 sind viele antifaschistische Kräfte in Desorientierung geraten – sowohl Kräfte, welche sich ausschließlich auf den „Teilbereich“ Antifa begrenzten, als auch solche, die sich breiter aufstellen. Wir müssen Positionen beziehen und den proletarischen Klassenstandpunkt herausarbeiten, entwickeln und popularisieren und dabei eine eigene Linie entwerfen – jenseits von diesem oder jenem Imperialismus, jenseits der Faschist:innen oder der oliv-grünen. Im Anbetracht der deutlicher werdenden gesellschaftlichen Krise reicht es nicht mehr aus, nur noch „Anti“ zu sein – unsere Klasse verlangt Antworten! Es ist die Aufgabe der klassenkämpferischen Kräfte, sie zu geben. Aus diesem Grund muss antifaschistische Agitation eingebettet sein in die Propagierung des Sozialismus als gesellschaftliche Alternative. Das darf nicht abstrakt als „Fernziel“ geschehen, sondern muss konkret anhand der gesellschaftlichen Bedingungen heute hergeleitet werden.

2. Strukturen für den Selbstschutz schaffen

Auch wenn die faschistische Machtübernahme nicht kurz bevorsteht, ist mit einer weiter ausgreifenden faschistischen Gewalt zu rechnen – und der Weiterentwicklung insbesondere der faschistischen Jugendbewegung. Der antifaschistische Selbstschutz, um unsere Aktivitäten weiter durchführen zu können, ist in Teilen Deutschlands bereits notwendige Realität und wird in Zukunft noch notwendiger werden.

Es gilt die eigenen Strukturen und Aktionen zu schützen, den eigenen Aktionsradius zu erweitern und überall dort wo möglich die Faschist:innen Stück für Stück zurück zu schlagen und damit ihrem immer offensiveren Auftreten aktiv etwas entgegen zu setzen.

3. Die antifaschistische Bündnisarbeit entwickeln

Ja, bürgerliche Kräfte bieten keine Antwort auf den Faschismus. Doch wenn sie Zehntausende auf die Straße mobilisieren, dann müssen wir dort aktiv sein und dürfen nicht einfach zu Hause bleiben und dieser Entwicklung zusehen. Wir müssen die ehrlichen Teile dieser Bewegung und die fortschrittlichsten Teile für den gemeinsamen Klassenkampf organisieren.. Zudem gilt es aber auch mit anderen klassenkämpferischen Kräften hier einen Pol zu bilden, der Stück für Stück in die Lage kommt, selber führend unter denjenigen Teilen der Klasse zu werden, die sich aktiv dem Faschismus widersetzen wollen.

4. Die Organisierungsfrage klären

Es ist klar: „Nur-Antifa“-Gruppen, die nicht in einen breiteren Organisierungsprozess eingebettet und damit Teil einer Gesamtstrategie sind, genügen nicht mehr. Genau genommen haben sie nie genügt. Was die verbreitete Version der Antifa leisten kann, ist den Schutz weniger Einzelner zu organisieren, Recherche zu betreiben, einzelne Faschist:innen und größere Events einzuschränken. Wenn aber der Faschismus für die Reproduktion des Kapitalismus wirklich notwendig wird und organisatorisch gefestigte Formen erhält, wird diese Antifa sehr einfach und schnell zerschlagen werden. Gegen eine stramm geführte militärische Organisation, geschweige denn gegen die geballte Staatsmacht, hat diese Art der Antifa keine Chance. Wir müssen diese Grenzen ernst nehmen und überwinden. Denn zugleich drückt sich gerade in der Reproduktion dieser Antifa-Gruppen symptomatisch die Schwäche der strategischen antifaschistischen Arbeit durch die kommunistische Bewegung aus. Die Kritik kann also nicht einseitig sein und wäre dogmatisch, wenn sie sich nicht zugleich eine Selbstkritik ist und sich aus dieser Einsicht um eine entsprechende Praxis bemüht.

Stattdessen müssen wir Massenorganisationen aufbauen, in denen wir unsere Klasse sammeln und organisieren können, in denen wir auch die verzweifelten Kleinbürger:innen und die Schicht der Arbeiter:innenaristokratie unter proletarischer Führung gegen den Faschismus agitieren und organisieren können. Zugleich müssen diese all diejenigen Aufgaben, welche im unmittelbaren antifaschistischen Kampf anfallen (und heute teilweise von kleineren Antifa-Gruppen in Ansätzen geleistet werden), aufnehmen und politisch und organisatorisch zentralisieren. Von der Organisierung der Klassenkämpfe, über antifaschistischen Selbstschutz und die Zerstörung faschistischer Strukturen. Es gilt, eine echte klassenkämpferische Arbeiter:innenbewegung, geführt von einer revolutionären Vorhutpartei, die sich diesen Status durch ihre Aktionen vor den Massen verdient, aufzubauen.

Einer solchen Partei kann es nicht um das Geschacher um Posten im bürgerlichen Staat gehen. Zugleich kann sie Formen schaffen, um – wenn sie die notwendige Größe erreicht hat – die Parlamente zur enthüllenden Propaganda und Agitation nutzen, um den Antifaschismus auch dort zu verbreiten.

5. Revolutionären Optimismus entwickeln

Es ist offensichtlich, dass hier eine langjährige, komplizierte und anspruchsvolle Arbeit vor uns liegt. Es sollte ebenso offensichtlich geworden sein, dass uns keine Alternative zu dieser Arbeit bleibt. Das Bürgertum wird uns andernfalls solange an der Nase herum führen, bis es uns mit seinem faschistischen Arm zerschlägt, noch brutaler unter das kapitalistische Joch spannt und uns dann in einem weiteren gewaltigen Krieg durch den Fleischwolf dreht. Und doch bleibt es richtig, mit Zuversicht und ohne Panik an diese Aufgabe heranzugehen. Die Bedingungen für die Entwicklung einer klassenkämpferischen Perspektive sind besser geworden, nicht schlechter. Es gibt heute einen relativen Aufschwung klassenkämpferischer Kräfte und die Existenz bundesweit organisierter kommunistischer Kräfte, die es so 2008 noch nicht gab. Und während die zentristischen Kräfte schwanken und nach Orientierung suchen, gilt es selber, diese Orientierung in der eigenen Aufbauarbeit zu bieten und voranzugehen.

Verzweifeln wir also nicht, wenn aktuell die Aussicht düster scheint. Erkennen wir vielmehr das Licht, das auch jetzt schon zaghaft dieses Dunkel durchglimmt und schreiten wir zur Tat! Denn nur der Klassenkampf kann dem Faschismus ein Ende setzen!

1 Zunächst wollen wir uns hier dabei im Wesentlichen mit dem Faschismus beschäftigen, wie er in den herrschenden Ländern des Imperialismus auftritt. Eine ausstehende Arbeit der marxistischen Theoriebildung besteht in der einheitlichen Theoretisierung des Faschismus in den unterdrückten und den unterdrückenden Nationen des Imperialismus.

2 Hier ist anzumerken, dass es sich bei dem Dualismus von bürgerlicher Demokratie und faschistischer Diktatur um eine Verkürzung handelt. Schon Rosa Luxemburg hat in Sozialreform und Revolution darauf hingewiesen, dass der Kapitalismus sich in allen möglichen staatlichen Formen reproduzieren kann, wovon die bürgerliche Demokratie nur den stabilsten Modus darstellt. Die Reduktion auf diese zwei Modi ist selbst ein Produkt des historischen Krisenmoments, während der die revolutionäre marxistische Faschismustheorie in den 1920er und 30er Jahren entworfen wurde. Darin liegt auch ein gewisser Eurozentrismus (Verallgemeinerung der Situation in den imperialistischen Kernländern) und das Problem, eine universelle Faschismustheorie zu entwickeln. Wir können diese Probleme an dieser Stelle nicht lösen, wollen aber darauf hinweisen, dass hier noch offene Fragen auf ihre Beantwortung warten und eine wirklich umfassende Faschismustheorie auch dieser Reduktion auf bloß zwei Modi der Reproduktion bürgerlicher Herrschaft entkommen muss.

3 Unten wird dieser Aspekt genauer beleuchtet.

4 Wir müssen hier im Auge behalten, dass es einen Unterschied zwischen Staat und Regierung gibt. Der Staat ist die gesellschaftliche Maschine, die von wechselnden Regierungen bedient wird, die diesen Regierungen aber zugleich einen bestimmten Handlungsrahmen vorgibt. Das ist einer der Gründe, warum es keine sozialistische Regierung eines kapitalistischen Staates geben kann. Dieser Staat ist ein bürgerlicher Staat, er hat eine bestimmte Struktur, ist ausgestattet mit einer gewaltigen Schicht von Bürokrat:innen, die seine Funktion auch im eigenen Interesse sicherstellen, er ist geschützt durch interne und externe Sicherheitsapparate, umringt von der entsprechenden kapitalistisch-patriarchalen Ideologie der bürgerlichen Gesellschaft.

5 Vgl. dazu: https://komaufbau.org/faschismus-buch-kapitel-1/

6Vgl. https://perspektive-online.net/2024/02/trump-droht-mit-dem-rueckzug-der-usa-aus-europa-was-steckt-dahinter/.

7 Vgl. https://perspektive-online.net/2021/06/hinter-der-afd-steht-das-kapital-und-dessen-soeldner-tom-rohrboeck/

8 Wir sehen das am Gejammer der westlichen Imperialisten über die staatlichen Eingriffe des chinesischen Imperialismus. Wobei freilich jeder imperialistische Staat seine Monopole nach Kräften unterstützt, so dass hier nichts anderes als das Geheul über den klügeren Konkurrenten zu vernehmen ist.

9 Vgl. https://www.tagesschau.de/inland/bdi-warnung-afd-100.html.

10 Vgl. https://perspektive-online.net/2024/06/afd-parteitag-wie-ist-die-geostrategie-der-faschisten-zu-verstehen/

11 So löst sich derzeit etwas der faschistische Vordenker-Club „Institut für Staatspolitik“ auf – doch auch wenn die Form wegfällt, wird er anderweitig weiterexistieren.

12 Wir können im Rahmen dieses Artikels nur auf die neuere Geschichte des Orientalismus eingehen. Edward Said ist in seinem klassischen Buch Orientalism auf die tiefere Geschichte der ideologischen Verklärung eingegangen, wenngleich er dabei gerade der deutschen Tradition gegenüber nachlässig gearbeitet hat.

13 Vgl. https://www.konicz.info/2010/09/21/sarrazins-sieg-11/.

14 Dessen politische Ausrichtung noch einer vertieften Kritik unterzogen werden muss.

15 Vgl. https://www.klassegegenklasse.org/gegen-afd-krieg-und-krise-fuer-eine-sozialistische-wahlfront/.

16 Vgl. https://perspektive-online.net/2024/01/geheimtreffen-belegt-erneut-kapital-und-faschismus-gehen-hand-in-hand/.

17 Vgl. https://komaufbau.org/marxismus-und-revisionismus/.

18 Dieser Wiederstand wird gut dargestellt in: T. Derbet: Der deutsche kommunistische Widerstand 1933-1945.

19 Vgl. https://www.counterpunch.org/2020/10/16/the-u-s-did-not-defeat-fascism-in-wwii-it-discretely-internationalized-it/